Behörden können alle 10.000 Jugendlichen für Berufsberatung ermitteln - bis auf zehn. Notfalls gibt es Hausbesuche
Hamburg. "Keiner soll verloren gehen", lautet der Schlachtruf des SPD-Senats im Hinblick auf die Schulabgänger und ihren Weg in die Berufswelt. Dieses Ziel liegt allerdings noch in weiter Ferne. Von den 10.350 Jugendlichen, die im Sommer 2012 eine Stadtteilschule, Förderschule oder Privatschule mit dem Haupt- oder Realschulabschluss verließen, konnten nur 1338 Schulabgänger im Anschluss eine berufliche Ausbildung beginnen. Ein Großteil des Jahrgangs landete in einer schulischen Berufsvorbereitung - eher aus Ratlosigkeit über die eigene Zukunft als verbunden mit einer klaren Perspektive, wie Schulsenator Ties Rabe (SPD) meint. Viele Jugendliche haben zu wenig berufliche Orientierung oder unrealistische Berufswünsche, die sich angesichts ihrer Leistungen auf dem Ausbildungsmarkt nicht erfüllen lassen. Die Berufs- und Studienorientierung an den Stadtteilschulen solle dazu beitragen, dass die Schüler ein klareres Bild von ihren Wünschen und Stärken, aber auch von der Berufswelt gewinnen, sagt Behördensprecher Peter Albrecht.
Strittig ist allerdings die personelle Ausstattung, die für das Konzept vorgesehen ist. Insgesamt werden 83 Berufsschullehrer in die Arbeit an den Stadtteilschulen eingebunden. 55 dieser Stellen werden den Schulen aber "bedarfsmindernd angerechnet".
Jan Penz, Mitglied der Hamburger Piratenpartei und selbst im Elternrat einer Schule in Bergedorf, beklagt mangelnde Transparenz aufseiten des Senats. Bei einem so umfangreichen Wandel an Schulen hätten Eltern stärker eingebunden werden müssen. Penz kritisiert das Konzept der verbindlichen Berufspraktika an einem festen Wochentag. Die Stadtteilschule müsse sich als neue Schulform gerade etablieren. "Dafür brauchen Schulen Planungssicherheit." Es schade der Stadtteilschule, wenn sie nun wieder Ressourcen für neue Aufgaben freistellen müsse.
Doch der Senat will den Übergang von Schule zum Beruf nicht nur durch Praktika verbessern. Um sicherzustellen, dass Jugendliche nach ihrem Abschluss den Weg in die Ausbildung finden, gehen die Mitarbeiter der neu gegründeten Jugendberufsagentur seit Sommer 2012 mit Nachdruck vor - und machen notfalls auch Hausbesuche. Mit dem Abschlusszeugnis hatte jeder Schulabgänger eine Aufforderung bekommen, sich nach den Ferien an einer der 20 Berufsschulen zu melden, die die "Dualisierte Ausbildungsförderung" anbieten. Denn die meisten der Jugendlichen unterliegen noch der elfjährigen Schulpflicht. Von den 10.350 Abgängern setzten 5043 den Schulbesuch fort. 1338 Schüler begannen die Ausbildung. Viele Jugendliche fanden über den Sommer eine Perspektive - und mussten dies ihrer zuständigen Berufsschule melden. Rund 2300 stellten sich dort vor und erhielten Beratung und Vermittlung - bestenfalls in Ausbildung oder sonst in Ausbildungsvorbereitung. Am Ende gab es lediglich zehn Jugendliche, zu denen kein Kontakt hergestellt werden konnte.
Das Vorgehen ist aufwendig: Wenn Jugendliche nicht erscheinen, werden sie der Netzwerkstelle der Jugendberufsagentur gemeldet, die für Schulabsentismus zuständig ist, wie Hartmut Sturm vom Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) sagt. Dann wird geklärt, wo sie aktuell gemeldet sind, um sie zum Gespräch einzuladen. Haben sie eine Ausbildung begonnen, überprüft ein Berufsschul-Mentor regelmäßig, ob sie auch im Betrieb sind. Wird die Lehre abgebrochen, werden die Jugendlichen erneut zur Beratung eingeladen, im Zweifelsfall per Einschreiben mit Rückschein. Kommen sie der Aufforderung nicht nach, drohen Bußgeld oder sogar Beugehaft. Unter dem Strich nennt Sturm das Projekt einen Erfolg. "Durch die Unterstützung haben wir 40 Prozent mehr Jugendliche in die Ausbildungsvorbereitung gebracht." Der Anteil der Schulabgänger allerdings, die eine berufliche Ausbildung begonnen hat, ist nicht gestiegen.