Unterschätzte Lorenz die Wassertemperatur? Das vermuten Ermittler. “Das Wasser kann wärmer erscheinen, da der Wind den Körper nicht so sehr erreicht, wenn man sich im Wasser befindet.“
Hamburg. Der Ertrinkungstod eines 13 Jahre alten Ruderers auf der Außenalster könnte ein juristisches Nachspiel haben. Wie die Staatsanwaltschaft am Montag erklärte, prüfen die Ermittler mittlerweile drei Strafanzeigen, die sich gegen den Ruderverein des Jungen richten. Zudem werde der Verdacht des Fremdverschuldens als Teil des Todesermittlungsverfahrens geprüft, sagte die Sprecherin der Behörde, Oberstaatsanwältin Nana Frombach. Geklärt werden soll, ob der Verein oder die anwesenden Trainer das Leben des Jungen hätten retten können. Urheber der Strafanzeigen sind zwei Privatpersonen, die den Unfall allerdings nicht direkt beobachtet hatten, und ein Anwalt, der dem Verein unterlassene Hilfeleistung vorwirft.
Der Leichnam des 13-Jährigen, den Segler am Sonntagvormittag in der Nähe der Unglücksstelle entdeckt hatten, war bis zum Montagnachmittag noch nicht obduziert worden. Die genaue Todesursache steht damit noch nicht offiziell fest. Die Polizei geht davon aus, dass der Junge ertrank, nachdem sein Boot gekentert war. Auch wenn die exakten Umstände der Tragödie weiterhin ungeklärt sind, gibt es eine These der Ermittler der Wasserschutzpolizei, wonach der Junge Opfer einer tragischen Fehleinschätzung geworden sein könnte. Offenbar hatte er sich nach dem Sturz ins Alsterwasser an seinem Boot festgehalten. Die Ermittler glauben, dass der 13-Jährige durch den kalten Wind, der an dem Tag herrschte, starke Kälte an den Körperteilen verspürte, die aus dem Wasser ragten. Dadurch könnte ihm das elf Grad kalte Wasser der Alster wärmer erschienen sein, weshalb er den Entschluss gefasst haben könnte, entgegen den Anweisungen ans Ufer zu schwimmen.
Frank Rauchschindel, Leiter der Wasserrettung beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Hamburg, sieht es ähnlich: "Theoretisch ist das gut möglich. Das Wasser kann wärmer erscheinen, da der Wind den Körper nicht so sehr erreicht, wenn man sich im Wasser befindet." Dass das Wasser dem Körper weniger Wärme entziehe als der Wind, sei jedoch ein verhängnisvoller Trugschluss. "Die Auskühlung im Wasser wird leider oft unterschätzt. Solange man sich festklammert, hat man eine höhere Chance, gerettet zu werden", so Rauchschindel. Wenn sich gekenterte Wassersportler von ihren Booten entfernten, würden sie ein großes Risiko eingehen, sagte der Leiter der Wasserrettung. Zum einen seien sie für Rettungskräfte oder andere Helfer wesentlich schwerer zu entdecken, zum anderen hätten sie nichts mehr zum Festhalten, wenn die Kraft schwindet. "Im Wasser rächt es sich dann schneller", sagte Rauchschindel.