Am Sonntagmorgen entdecken Segler die Leiche des 13-jährigen Lorenz, der vor neun Tagen mit seinem Ruderboot auf der Alster gekentert war.
Hamburg. Eine Stunde nach dem traurigen Fund herrscht an und auf der Alster schon wieder die übliche Betriebsamkeit: Ruderer durchpflügen das Wasser, Segler ziehen ihre Bahnen, Jogger laufen bei herrlichem Frühlingswetter am Ufer entlang. Unweit von Boje 5, wo der 13 Jahre alte Lorenz aus Blankenese mit seinem Ruder-Einer kenterte und ertrank, ist am Sonntagvormittag seine Leiche geborgen worden. Damit haben sich die letzten Hoffnungen auf ein Wunder zerschlagen. Womit Ermittler gerechnet hatten, ist seit Sonntag traurige Gewissheit: Lorenz ist tot.
Freunde des Schülers aus Blankenese haben unter einer prächtigen japanischen Kirsche Grablichter und Blumen niedergelegt, auf einer Karte steht: „Wir vermissen deinen Lebensmut, deine Fröhlichkeit, deinen Humor, dein positives Denken. Einfach Dich.“ Die improvisierte Gedenkstätte steht in einem Meer von rosa Blüten. Wenige Meter davon entfernt posiert unter dem Baum ein lächelndes Paar für Werbefotos einer polnischen Internet-Partnerbörse. Es hatte sich dort kennengelernt, nun ist es frisch verheiratet. Hier das pure Glück, dort so viel Traurigkeit – krasser könnte der Kontrast kaum sein.
Wasserschutzpolizisten hatten die Leiche geborgen, nachdem Segler den in der Alster treibenden toten Jungen um 10.45 Uhr entdeckt hatten. Physikalische Prozesse waren der Grund dafür, dass der ertrunkene Junge erst jetzt wieder aufgetaucht ist. Der Leichnam wird nun im Institut für Rechtsmedizin obduziert. Um die Eltern von Lorenz kümmert sich ein psychologisch geschultes Kriseninterventionsteam.
Lorenz war am Freitagnachmittag vor neun Tagen während des Trainings mit seinem Einer-Ruderboot rund 250 Meter vom Alsterufer entfernt gegen eine Backbordfahrwassertonne geprallt. Zeugen berichteten, der Junge, der keine Schwimmweste trug, habe sich zunächst an dem Boot festgehalten und habe dann versucht, an Land zu schwimmen – bei einer Wassertemperatur von nur elf Grad. Drei Tage lang suchten Taucher der Polizei, der Feuerwehr und der DLRG mit immensem technischen Aufwand das trübe Wasser ab – vergebens. „Die Suche mit Wasserortungshunden und Spürhunden sowie der Einsatz von technischem Gerät wie Sonar, Booten mit Sitescansonar und einer Wärmebildkamera führten leider nicht zum Auffinden des Jungen“, sagte Polizeisprecherin Ulrike Sweden.
Beim Ruderclub Favorite Hammonia herrscht nun tiefe Betroffenheit. Lorenz war seit zwei Jahren Mitglied in dem 1854 gegründeten Verein. „Bei aller Trauer sind wir erleichtert, dass Lorenz nun gefunden worden ist. Die Ungewissheit hat für uns alle ein Ende“, sagte der 1. Vorsitzende Wolfgang Rauhut dem Abendblatt. „Unsere Gedanken sind bei den Eltern, die nun ihr Kind beerdigen können.“ Nach der Beisetzung werde es eine gemeinsame Gedenkveranstaltung aller Alsterruderclubs geben. Denkbar sei etwa eine Sternfahrt zur Unglücksstelle, so Rauhut weiter.
Unmittelbar nach dem Unglück kritisierte unter anderem die DLRG, dass das Tragen von Rettungswesten für Ruderer nicht verpflichtend ist. An Gesprächen über eine Westenpflicht werde sich der Club in den kommenden Wochen beteiligen, allerdings dürfe die Diskussion nicht auf Hamburg begrenzt bleiben, sagte Rauhut. Intern sei bereits am Donnerstag darüber gesprochen worden, wie die Sicherheit erhöht werden könne. Eine Westenpflicht im Hochsommer sei aber „vermutlich nicht notwendig“, so Rauhut, da dann das Wasser wärmer und die Gefahr eines Kälteschocks deutlich geringer sei. „Wir werden aber genau prüfen, ob das Tragen dieser Westen im April und Mai sowie für ganz junge Ruderer obligatorisch werden sollte.“ Es bleibe zu hoffen, dass in Zukunft Rettungswesten entwickelt würden, die die Sportler beim Rudern nicht behindern.
Vor Aktionismus warnt auch die Hamburger Schulbehörde. „Schnellschüsse helfen bei einem so ernsten Thema nicht weiter“, sagte Behördensprecher Peter Albrecht. Wie eine Rettungswestenpflicht bei schulischen Wassersportarten wie Rudern, Paddeln und Segeln realisiert werden könne, prüfe die Schulbehörde „sehr kurzfristig und konkret“ mit den Fachleuten des Sportreferats. „Immerhin sind die bislang gültigen Vorgaben, deren Einhaltung und die Unterrichtssituationen so umsichtig gewesen, dass es seit Jahrzehnten nicht zu ernsten Vorfällen im Schulsport gekommen ist. Trotzdem verpflichtet der tragische Unfall jetzt zu sorgfältiger Überprüfung der bisherigen Regelungen“, so Albrecht weiter. Nach dem Unfall hatte die Behörde ein Ruderverbot für Schüler auf der Alster verhängt. Betroffen sind rund 50 Schulen. Bis zum 1. Mai bleibe das Verbot für Einer-Rudern bestehen, so Albrecht.