Keine Piercings, nur zwei Ringe pro Hand. Auch für frischen Atem sollen die Budni-Mitarbeiter sorgen. Die Berufskleidungsempfehlung der Drogeriekette erzürnt die Gewerkschafter.
Hamburg. Eine weiße Bluse mit dezenten Streifen, dazu eine dunkelblaue Weste und ein Namensschild. So sieht sie aus, die Budni-Uniform, die die Mitarbeiterinnen der Drogeriekette während ihrer Arbeit in den Filialen zu tragen haben. Was allerdings die wenigsten Kunden ahnen: Auch über die reine Arbeitskleidung hinaus herrschen bei dem Hamburger Marktführer ausgesprochen penible Regeln für das Erscheinungsbild.
Bis ins Detail haben Inhaber Cord und Tochter Julia Wöhlke den Auftritt in den Filialen geregelt. "Durch ihr gepflegtes Äußeres sollten alle Mitarbeiter das Budni-Image von Schönheit und Gesundheit nach außen tragen und es Tag für Tag leben", heißt es in einer sechs Seiten umfassenden "Berufskleidungsempfehlung - Ich bin Budni", die dem Abendblatt vorliegt.
Die alphabetisch geordneten Vorschriften, die die Mitarbeiter mit Kundenkontakt lesen und unterschreiben müssen, umfassen dabei mehr als 20 einzelne Abschnitte. Sie reichen von A wie Atem, über B wie Bart, D wie Deodorant, H wie Haare bis hin zu S wie Schmuck und Z wie Zähne. Selbst für die Pflege der Beine, Make-up und Frisuren gibt es Hinweise.
"Viele der Vorgaben von Budni stellen einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter dar", sagt der Hamburger Einzelhandelsexperte der Gewerkschaft Ver.di, Arno Peukes. "Die Beschäftigten werden in einer Art und Weise gegängelt, wie ich es noch bei keinem anderen Hamburger Handelsunternehmen erlebt habe."
Grundsätzlich nicht erwünscht sind bei Budni etwa für die Kunden sichtbare Piercings in der Zunge oder in der Ohrmuschel, Zahnschmuck sowie Tattoos und Nasenringe. Das Tragen von anderem Schmuck ist bis ins Kleinste festgelegt: So gilt für Ringe die Empfehlung "maximal zwei pro Hand", für Armbanduhren der Hinweis "schlichte Modelle" und für Halsketten: "nur Silber/Goldfarben oder dezenter Modeschmuck - nicht zu breit (über 2 cm)".
Zum Thema Atem heißt es in dem Leitfaden: "Die Mitarbeiter sollten für frischen Atem sorgen und sind angehalten, Speisenverzehr mit unangenehmem Atemeffekt unmittelbar vor Arbeitsantritt und auch während der Dienstzeit zu vermeiden." Die Verwendung von Deodorant sollte laut Leitfaden selbstverständlich sein, "um bei bewegungsintensiven Arbeiten unangenehmen Körpergeruch zu vermeiden."
Bärte werden bei Budni-Mitarbeitern nur geduldet, wenn es sich um "gepflegte, gut ausrasierte Voll- oder Oberlippenbärte" handelt. Ein "modischer Dreitagebart oder ein unrasiertes stoppeliges Gesicht", entspricht laut Leitfaden hingegen nicht dem "Stil" von Budnikowsky.
Ebenfalls nicht Budni-like sind offenbar jegliche grelle Farben. Dies gilt sowohl für die Wahl des Nagellacks (empfohlen werden die Varianten transparent, rosé oder helle Töne) als auch für das Make-up ("unauffällige Farben, die den Teint und Typ unterstreichen") und die Haarfarbe. "Gefärbtes Haar außerhalb der Naturfarben (wie zum Beispiel blau, pink, lila)" ist "nicht erwünscht".
"Wünschenswert" ist es bei der Drogeriekette hingegen, dass Ansätze bei Blondierungen in "angemessenen und regelmäßigen Abständen nachgefärbt werden". "Langes Haar, das über die Schultern reicht, sollte aus hygienischen Gründen zurückgebunden oder hochgesteckt werden", heißt es weiter.
Doch nicht nur den Haaren, auch den Beinen der Verkäuferinnen gilt die besondere Aufmerksamkeit der Budni-Verantwortlichen. "Rasierte Beine sollten beim Tragen von Röcken selbstverständlich sein", heißt es im Leitfaden. Bei Schuhen sollten Verkäuferinnen zu "schlichten zeitlosen Modellen" greifen, nicht aber zu "Turnschuhen mit Ausnahme von einfarbig schwarzen oder weißen Modellen", "Hip-Hop-Schuhen" oder "High Heels". Als Hosenfarben sind schwarz, blau oder weiß gestattet, und es gilt die Regel: "Das Hosenbein ist von korrekter Länge, wenn es mit dem oberen Fersenabsatz abschließt."
Aus Sicht von Budni-Personalchefin Julia Wöhlke handelt es sich bei dem Papier allerdings nicht um eine starre Vorgabe, sondern lediglich um eine "Orientierungshilfe ohne jegliche Verbindlichkeit", die das Unternehmen auf wiederholte Nachfragen von Mitarbeitern herausgegeben habe. In den Filialen arbeiteten sehr wohl Beschäftigte mit "Tattoos, Piercings und buntem Nagellack", lässt die Juniorchefin mitteilen. "Sie alle sind hochgeschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die großartige Arbeit leisten und sich auch uns sehr verbunden fühlen."
Grundsätzlich erwarten die Kunden laut Wöhlke ein gepflegtes Erscheinungsbild der Verkäuferinnen und Verkäufer - "zumal in einem Drogeriemarkt, in dem sich vieles um Kosmetik, Körperpflege und auch um Lebensmittel dreht". Die Details überlasse man aber jedem Mitarbeiter selbst.
Ganz so unverbindlich sind die Empfehlungen aus Sicht von Ver.di allerdings nicht. "Es gibt Anzeichen dafür, dass die Mitarbeiter, die sich nicht an die Empfehlungen halten, von den Filialleitern unter Druck gesetzt werden und mit Nachteilen rechnen müssen", sagt Gewerkschafter Peukes.
Zumindest ist das äußere Erscheinungsbild fester Bestandteil der regelmäßigen Entwicklungsgespräche, die mit den Beschäftigten geführt werden. Die Vorgesetzten bewerten dabei das Äußere der Mitarbeiter auf einer Skala von 50 bis 120 Prozent, ebenso wie Ausdauer und Belastbarkeit, Auffassungsgabe, Arbeitsqualität oder Selbstständigkeit und Eigeninitiative. Dies geht aus internen Unterlagen hervor.
Eine Budni-Mitarbeiterin, die in einer braunen statt einer schwarzen, weißen oder blauen Hose zur Arbeit erschienen war, wurde beispielsweise im Erscheinungsbild von der Vorgesetzten nur mit 80 Prozent bewertet. Zudem musste sie sich den schriftlichen Zusatz "Arbeitet an sich!" gefallen lassen. Andere Beschäftigte gerieten laut Gewerkschaft mit Filialleitern aneinander, weil sie sich partout nicht von ihren Piercings trennen wollten.
Freilich achten auch andere Handelsunternehmen und Drogerieketten auf ein korrektes Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter und schreiben eine bestimmte Berufskleidung vor. So herrscht etwa im noblen Alsterhaus ein Dresscode, der schwarze Kleidung mit weißem Hemd oder weißer Bluse vorsieht. "Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter natürlich auf ein gepflegtes Äußeres achten", sagt die Sprecherin des Hauses, Silke Jost. Bei Schmuck sei "weniger mehr", man mache aber keine konkreten Vorgaben, auch nicht bei den Frisuren.
Überzogene Vorschriften in Sachen Kleidung sind sonst nur von einigen amerikanischen Unternehmen bekannt. So geriet etwa die Modekette Hollister mit ihren deutschen Beschäftigten aneinander, weil sie diese dazu verdonnert haben soll, bei der Arbeit Flipflops zu tragen - auch im Winter. Zudem sollen die Beschäftigten dazu angehalten worden sein, ausschließlich aktuelle Hollister-Mode zu tragen, was erhebliche Ausgaben für die ohnehin nicht gerade üppig entlohnten Mitarbeiter nach sich zog. In Frankfurt haben Beschäftigte mittlerweile einen Betriebsrat gegründet, der die größten Auswüchse des Hollister-Systems eindämmen möchte.
Ein solches Gremium gibt es bei der Hamburger Drogeriekette Budnikowsky bis heute nicht, nur eine mit weniger Rechten ausgestattete Mitarbeitervertretung, die nach dem Eindruck manch eines Beschäftigten im Konfliktfall eher auf der Seite der Geschäftsleitung steht.
Zu Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern kommt es immer wieder auch wegen der Bezahlung bei Budni, die - wie berichtet - mehrere Euro die Stunde unter dem gültigen Einzelhandelstarif liegt. Besonders eklatant sind die Unterschiede bei Mitarbeitern, die an der Kasse sitzen. So wird etwa ein Kassierer oder eine Kassiererin mit Schließfunktion und mehrjähriger Berufserfahrung bei der Kette mit 1675 Euro brutto monatlich entlohnt, obwohl dem jeweiligen Mitarbeiter laut Tarif 2630 Euro zustehen würden - ein Unterschied von fast 1000 Euro. Die Kette begründet die Diskrepanz generell mit technischen Neuerungen, die die Arbeit eines Kassierers heute viel einfacher als früher mache. Die derzeitigen Tarifstrukturen sind aus der Sicht Julia Wöhlkes veraltet.
Zumindest im Fall der Berufskleidungsempfehlung will die Personalchefin nun aber offenbar einlenken. Nach der Anfrage des Abendblatts ließ sie mitteilen, dass sich die Drogeriekette von dem umstrittenen Papier verabschieden werde - "um Fehlinterpretationen unserer Mitarbeiter zukünftig auszuschließen".