Die Drogeriekette gilt als sozial, bezahlt Beschäftigte teilweise aber unter Tarif. Einen Betriebsrat gibt es nicht. Ver.di macht Druck
Hamburg. Soziale Verantwortung und ein gutes Betriebsklima sind den Chefs der Hamburger Drogeriekette Budnikowsky wichtig. "Wir bei Budni", lautet das Motto der mehr als 100 Jahre alten Familienfirma. "Unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das Herz unseres Unternehmens", wirbt Personalchefin Julia Wöhlke auf der Internetseite der Kette.
Doch wenn es um die Gehälter und Rechte der Mitarbeiter geht, dann verfolgt Budni eine sehr spezielle Strategie. Eisern weigert sich der Hamburger Marktführer, den gültigen Einzelhandelstarifvertrag anzuerkennen. Einen Betriebsrat, wie sonst in Unternehmen mit fast 2000 Beschäftigten üblich, gibt es bei Budni nicht, lediglich eine sogenannte Mitarbeitervertretung mit weniger Rechten.
Die jahrelange Verweigerungshaltung ruft jetzt die Gewerkschaft Ver.di auf den Plan. Sie fordert eine Anerkennung des Tarifvertrags, sowie die Einführung eines ordentlichen Betriebsrats. "Budnikowsky gibt sich gern einen sozialen Anstrich, zahlt den Mitarbeitern zum Teil aber Gehälter, die unter dem Tarifniveau im Einzelhandel liegen", sagt der zuständige Fachsekretär für den Bereich Handel, Arno Peukes.
So war es beispielsweise im Fall einer Verkäuferin, die sich im vergangenen Jahr Hilfe suchend an die Gewerkschaft wandte. Der Stundenlohn der Frau lag bei 10,93 Euro und damit mehr als drei Euro unter den eigentlich üblichen 14,10 Euro in der vergleichbaren Gehaltsgruppe, wie aus einem Arbeitsvertrag hervorgeht, der dem Abendblatt vorliegt. Nachdem die Frau mit rechtlichen Schritten drohte, erhöhte der zuständige Bezirksverantwortliche den Stundenlohn auf 12,63 Euro - offiziell wegen "guter Arbeitsleistung" - allerdings immer noch rund 1,50 Euro unter Tarifniveau.
Diese Schilderung deckt sich mit den Erfahrungen ehemaliger Mitarbeiterinnen der insolventen Drogeriekette Schlecker. Die waren nach der Pleite im vergangenen Jahr zwar einerseits heilfroh, eine Stelle bei Budni angeboten zu bekommen, staunten aber über das dort herrschende Lohnniveau. Trotz seines schlechten Rufs zahlte Schlecker zuletzt nämlich nach Tarif - im Gegensatz zu dem Hamburger Konkurrenten. "Ex-Schlecker-Mitarbeiterinnen haben berichtet, dass ihnen bei Budni vergleichbare Positionen zu deutlich schlechteren Konditionen angeboten wurden", sagt Peukes. Einige hätten sich daraufhin lieber Jobs bei anderen Unternehmen gesucht.
Personalchefin Julia Wöhlke will die Vorwürfe der Gewerkschaft so nicht stehen lassen. "Wir zahlen nicht schlechter als Tarif, nur anders", sagt die Tochter von Budni-Chef Cord Wöhlke, die im vergangenen Jahr mit in die Geschäftsführung aufrückte. Das eigene Vergütungssystem orientiere sich weniger an der Berufsausbildung, sondern mehr an der tatsächlichen Tätigkeit eines Mitarbeiters. "Wir haben zum Beispiel Fachverkäuferinnen Naturkosmetik oder auch Filialleiterinnen, die besser als im Tarif bezahlt werden, aber es gibt auch Mitarbeiter, die darunter liegen." Wenn man alle Bereiche gegeneinander aufrechne, stehe das Unternehmen gut da.
Grundsätzlich hält die Personalchefin das bestehende Tarifgefüge für veraltet. So werde etwa eine Kassiererin noch immer in die Tarifgruppe 3, dem nächst höchsten Verdienst hinter einem Marktleiter eingeordnet. In den vergangenen 50 Jahren hätten sich aber so viele technische Erleichterungen ergeben, dass eine Kasse heute von jedem Mitarbeiter nach kurzer Einarbeitungszeit bedient werden könne. Daher müsse man eigentlich einen Fachmitarbeiter mit besonderem Wissen oder hoher Beratungskompetenz gehaltlich direkt hinter dem Filialleiter ansiedeln.
Ein jahrelanger Streitpunkt zwischen Budni und der Gewerkschaft ist auch das Fehlen eines Betriebsrats. Die stattdessen installierte Mitarbeitervertretung stammt aus dem vergangenen Jahrzehnt. Damals kochte ein Streit um Arbeitszeitverlängerung und die Versetzung von Beschäftigten hoch. Rund 20 "Budnianer" wollten einen Betriebsrat gründen, was postwendend Budni-Chef Cord Wöhlke auf den Plan rief. Der rechnete den Beschäftigten vor, dass dadurch jährliche Kosten von rund einer Million Euro durch Freistellungen, Schulungen oder zusätzliche Räume entstehen würden, was wiederum Arbeitsplätze kosten könne. Nach dieser Information sprachen sich die Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung gegen die Gründung eines Betriebsrats aus. Angeblich ohne Druck und mit lediglich einer Gegenstimme. Stattdessen votierten die Beschäftigten für die Mitarbeitervertretung. "Diese ist aber kein adäquater Ersatz für einen Betriebsrat, weil sie auf das Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen ist und weniger Rechte hat", sagt Gewerkschafter Peukes. Bei einer Veränderung der Arbeitszeiten müsse ein Betriebsrat beispielsweise zwingend angehört werden, eine Mitarbeitervertretung nicht. Ähnliche Einrichtungen kenne er sonst nur noch aus dem kirchlichen Bereich. "Mir ist aber nicht bekannt, dass es sich bei Budni um eine religiöse Organisation handelt." Laut Personalchefin Wöhlke ist die Mitarbeitervertretung allerdings sehr wohl eng an das Betriebsverfassungsgesetz angelehnt und verfügt über Mitbestimmungsrechte bei Urlaubsregelungen, Arbeitszeitveränderungen und Kündigungen. Auch im Falle eines etwaigen Stellenabbaus müsse die Organisation angehört werden, was in der Geschichte des Unternehmens aber noch nicht vorgekommen sei.
Jede der mehr als 150 Budni-Filialen wählt einen Mitarbeitervertreter, diese dann 15 übergeordnete Räte und eine freigestellte Sprecherin. "Der Vorteil gegenüber einem Betriebsrat ist, dass jede der Filialen einen Mitarbeitervertreter hat, das macht die Wege kurz", so Wöhlke.
Die Personalchefin schätzt das Arbeitsklima bei Budni als gut ein, wozu auch außerbetriebliche Leistungen wie zwölf Prozent Mitarbeiterrabatt oder Jubiläumsgeld beitragen würden. Darüber hinaus zahle man Urlaubs- und Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen und biete 36 Tage Urlaub wie tariflich festgelegt. Zudem passe man die Löhne parallel zu jeder Tariferhöhung an. Auch unterstütze das Unternehmen Mitarbeiter in persönlichen Krisensituationen. Erst kürzlich sei man zum besten Arbeitgeber Hamburgs im Bereich Handel gewählt worden. "Persönlich würde ich mir wünschen, dass wir den Mitarbeitern dazu auch noch die besten Stundenlöhne zahlen", sagt die Personalchefin. Dies sei aufgrund der Konkurrenzsituation in der Branche aber nicht möglich. Soziale Verantwortung bedeute angesichts einer sehr geringen Rendite von weniger als einem Prozent auch, Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern.