Durch die Zoo-Familie geht ein tiefer Riss. Vor Gericht zeigten sich die Mitglieder der beiden Familienzweige weiter unversöhnlich. Wie geht es weiter mit dem traditionsreichen Tierpark?

Neustadt. Es ist eine erbitterte Familienfehde, die das Zeug zur TV-Soap hat. Seit einem Jahr kämpfen die beiden Chefs des traditionsreichen Tierparks Hagenbeck um die Macht im Unternehmen: Hier Senior Claus Hagenbeck, 71, da der angeheiratete Neffe Joachim Weinlig-Hagenbeck, 56. Die Chance, den Zwist zu einem versöhnlichen Ende zu bringen, ist längst vertan. Jetzt muss die Justiz entscheiden, ob und welcher der beiden Gesellschafter am Ruder bleibt. Am Freitag hat vor dem Zivilgericht die Hauptverhandlung begonnen. Schon jetzt ist klar: Die Beweisaufnahme wird extrem aufwendig.

Durch die Zoo-Familie geht ein tiefer Riss. Der Gesellschaftervertrag des Tierparks sieht für beide Familienzweige je einen gleichberechtigten Geschäftsführer vor. Nach einer öffentlichen Auseinandersetzung, wie mit einer offenen Rechnung der Stadt in Höhe von zwei Millionen Euro umzugehen ist, trat im März 2012 Tierpark-Chef Stephan Hering-Hagenbeck zurück. Claus Hagenbeck, der 2004 den Chefsessel für ihn geräumt hatte, kehrte darauf an die Spitze zurück.

Zunächst mit Erfolg wehrte sich dagegen Mit-Geschäftsführer Joachim Weinlig-Hagenbeck. Doch das hanseatische Oberlandesgericht kassierte die Einstweilige Verfügung, sodass Claus Hagenbeck im August 2012 erneut an die Spitze zurückkehrte. Im Juli beschloss die Gesellschafterversammlung dann die Abberufung von Joachim Weinlig-Hagenbeck. Und weil im Herbst eine vom Gericht nachdrücklich empfohlene Einigung scheiterte, dreht sich die Hauptverhandlung jetzt um die Wirksamkeit dieser wechselseitigen Abberufungen.

Dass zwischen den Hagenbecks seit einem Jahr eisiges Schweigen herrscht, ist kein Geheimnis. Wie vergiftet die Stimmung ist, bemerkt man spätestens an der Art und Weise, wie sich die Kontrahenten in Saal A156 des Ziviljustizgebäudes begegnen – sie schauen einfach aneinander vorbei. Während sich der Senior ständig Notizen macht, mustert Joachim Weinlig-Hagenbeck unverwandt die geladenen Zeugen, zunächst eine Behörden-Mitarbeiterin, die etwas über den Zwei-Millionen-Deal mit der Stadt aussagen soll. Karsten Nevermann, der freundlich-besonnene Vorsitzende Richter, sitzt dazwischen. Auf seine Frage, wie er vom Rücktritt seines Schwiegersohns erfahren habe, antwortet Claus Hagenbeck mit fester Stimme: Stephan Hering-Hagenbeck habe ihm im März 2012 per E-Mail mitgeteilt, dass er nicht mehr ertragen könne, von Weinlig-Hagenbeck „angegriffen und gemobbt“ zu werden.

Der Zoo als Disney-Erlebniswelt?

Was mit den „Angriffen“ gemeint war, führt Hering-Hagenbeck dann persönlich im Zeugenstand aus. Offenbar hat er sich über das Gebaren seines Mitgesellschafters jahrelang geärgert. Sichtlich um Beherrschung bemüht, schildert der 45-Jährige, wie es zu dem Zerwürfnis gekommen ist. Wie Weinlig-Hagenbeck den Zoo ein ums andere Mal in der Öffentlichkeit – aus seiner Sicht verzerrt und geschäftsschädigend – dargestellt habe. Nie habe er vor Interviews Rücksprache mit ihm gehalten.

So habe Weinlig-Hagenbeck in einem Interview die Hauptstadt Berlin mit „einem eitlen Pfau verglichen, der viel Mist macht“. Eine ungebührliche Bemerkung, so habe er es empfunden. Blankes Entsetzen löste bei ihm eine weitere Äußerung aus, wonach sich Weinlig-Hagenbeck vorstellen konnte, den legendären Eisbär Knut, damals Publikumsmagnet im Berliner Zoo, „anzukaufen“. Dabei kaufe der Tierpark grundsätzlich keine Tiere, sondern tausche sie nur innerhalb einer Zuchtgemeinschaft, sagt Hering-Hagenbeck. Ebenfalls geärgert habe ihn die Aussage, der Tierpark dürfe „bloß keine grelle Disney-Erlebniswelt“ werden.

Schließlich könne man doch „von Disney viel lernen“, sagt Hering-Hagenbeck. Ebenso wenig habe Weinlig-Hagenbeck mit ihm die Position zum Tropenaquarium abgestimmt. Seine gedruckte Äußerung, in dem Neubau seien Millionen Euro versenkt worden, habe „dem Unternehmen sicher geschadet.“ Den endgültigen Bruch markierte indes ein Artikel im Abendblatt, in dem es um den 1996 geschlossenen städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt und dem Zoo ging.

Damals hatte die Stadt dem Tierpark zwei Millionen Euro vorgestreckt – eine Summe, die sie nun zurückfordert. Weinlig-Hagenbeck hingegen bestritt im Abendblatt die Rechtmäßigkeit der Zahlungsverpflichtung, da sie sich auf einen alten Vertrag bezöge, der gar nicht umgesetzt worden sei. Auch diese Äußerung sei nicht abgestimmt gewesen. „Man kann mit Herrn Weinlig im Team nicht vertrauensvoll zusammenarbeiten“, sagt Hering-Hagenbeck. „Wenn es drauf ankam, hat er seinen Stiefel durchgezogen. Und es hat ihn nicht interessiert, was der Mitgeschäftsführer davon hält.“

Offenbar waren es auch persönliche Schmähungen, die das Verhältnis der beiden Chefs belasteten. Hinter seinem Rücken habe ihn Weinlig-Hagenbeck als „Hering“ bezeichnet, „ohne Dr. und ohne Herr“, wie der Zeuge ergänzt. Immerhin gelang es ihnen, jeden Morgen gemeinsam den Tierpark zu inspizieren – bis zum 5. Dezember 2011. An jenem Tag habe ihn Weinlig-Hagenbeck zur Morgenrunde mit den Worten „Na, schwimmt der Hering wieder?“, begrüßt. Wenig später sollen sie sich lautstark gestritten haben.

Ende März 2012 schließlich trat Hering-Hagenbeck zurück. Unter anderem habe er sich voll auf die Fertigstellung der 20 Millionen Euro teuren Eismeer-Anlage konzentrieren wollen, sagt er. Entmachtet habe ihn sein Schwiegervater nicht. Am 17. Mai wird die Verhandlung fortgesetzt. Möglicherweise gibt es dann ein Urteil. Und Klarheit, wohin der Tierpark steuert.