Die Einigung zwischen Senat und Hochtief um das teuerste Bauvorhaben der Stadt steht bevor. Es geht um Geld und neue Haftungsbedingungen.

Hamburg. Hin und wieder ertönt bereits Musik in der Elbphilharmonie, manchmal sogar klassische. Die Arbeiter, von denen einige wenige trotz des Baustillstandes täglich auf der Baustelle sind, haben ein kleines Radio im großen Saal aufgestellt. Wenn aus den Lautsprechern Symphonien erklingen, braucht es nur noch ein wenig Vorstellungskraft, um den Konzertsaal aus dem Rohbau entstehen zu sehen.

Wer die riesigen roten Stützpfähle sowie den Geruch von Holzplanken und Betonstaub wegzudenken vermag, kann sich fühlen wie auf einer Zeitreise. 2017, so der aktuellste Termin, soll das erste Konzert in der Elbphilharmonie gespielt werden, sollen zum ersten Mal alle 2150 Plätze des großen Saales besetzt sein. Dann werden sich die Zuhörer ihr eigenes Klangbild davon machen können, ob die Elbphilharmonie einen der zehn besten Konzertsäle der Welt bekommen hat.

In dieser Woche waren genau an diesem so zentralen Punkt für ein Konzerthaus Zweifel aufgekommen. Nicht, weil der mit der Akustikplanung beauftragte Klangspezialist Yasuhisa Toyota plötzlich sein Renomée verloren hätte. Nur sind seine Berechnungen der Akustik nie von einer neutralen Seite überprüft worden. Das hat eine Anfrage der Grünen-Fraktion an den Senat ergeben. „Dabei haben die leidvollen Erfahrungen mit der Elbphilharmonie gelehrt, dass wir uns auch auf hoch geachtete Experten nicht blind verlassen dürfen“, erklärte die Grünen-Abgeordnete und Elbphilharmonie-Fachfrau Eva Gümbel. Dies gelte umso mehr, wenn diese Experten sich scheuten, für ihre Arbeit auch die Haftung zu übernehmen.

Die Haftung für eine möglicherweise nicht hochklassige Akustik läge bei der Stadt – so jedenfalls ging es bislang aus dem Entwurf zur Neuordnung der Verträge hervor, den der Baukonzern Hochtief der Stadt im Dezember unterbreitet hat. Damals hatte der Baukonzern ein Angebot vorgelegt, nach dem er die Elbphilharmonie fertigstellen und einen großen Teil der noch ausstehenden Risiken für den Bau übernehmen würde. Außerdem würde Hochtief durch die neuen Verträge einen der Anfangsfehler des Projektes beheben und in eine Arbeitsgemeinschaft mit den Architekten eintreten. Bislang hatte zwar die Stadt Verträge mit dem Generalplaner Herzog & de Meuron, aber nicht der Baukonzern. Das soll sich ändern: Die Stadt wird ihre Verträge mit den Architekten auflösen und künftig nur noch als Bauherr und überwachend tätig sein.

Bis Ende der Woche sollen die Verträge verhandelt sein

Insgesamt verlangt Hochtief für die eigene Leistung inklusive der neuen Verantwortungsbereiche und Risiken 575 Millionen Euro – 198 Millionen mehr als bisher. Bis Ende der kommenden Woche will Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Verträge für den Weiterbau der Elbphilharmonie mit Hochtief verhandelt haben. Anderenfalls hätte die Stadt ein sofortiges Kündigungsrecht und würde das Konzerthaus in eigener Verantwortung fertigstellen.

Die Gefahr, dass die Vertragsverhandlungen noch scheitern könnten, gilt indes als gering. Bereits in seinem Interview mit der „Welt am Sonntag“ der vergangenen Woche hatte Scholz gesagt, dass er deutliche Verhandlungsfortschritte sehe. Weitere Fortschritte hat es offensichtlich auch in dieser Woche gegeben. Am Donnerstag traf sich Scholz im Rathaus mit dem Hochtief-Vorstandschef Marcelino Fernández Verdes sowie mit David Koch von den Architekten Herzog & de Meuron – um letzte Details zu besprechen, hieß es.

Offiziell wollte sich im Anschluss keiner der Beteiligten zu den Gesprächen äußern. Im Hintergrund aber heißt es, diese seien nüchtern-professionell abgelaufen, wie alle Verhandlungsrunden, seit sowohl die Stadt als auch der Baukonzern ausschließlich auf höchster Ebene verhandeln. Der spanische Hochtief-Chef und der Bürgermeister seien sich ihrer Verantwortung für das Projekt bewusst. Dennoch ist auch von immer noch offenen Fragen die Rede.

Hochtief muss nach Plänen bauen - oder zahlen

Eine der geklärten Fragen scheint jedoch die Haftung für den Klang im Konzertsaal sein. Anders als im Entwurf vom Dezember angeboten, übernimmt Hochtief möglicherweise nun doch eine Art Haftung für die Akustik, aber nur, soweit es sich um messbare festzustellende Mängel seitens des Konzerns handelt, also dann, wenn nicht exakt das gebaut worden sein sollte, was in den Plänen gestanden hatte.

Der Ausbau des großen Saals ist eines der größten noch verbleibenden Bau- und damit Kostenrisiken. Allein 15 Millionen Euro werden die Gipsfaserplatten kosten, die als weiße Haut für den perfekten Klang sorgen sollen. Doch bis sie eingebaut werden, wird noch viel Zeit vergehen. Selbst, wenn es am oder bis zum 28. Februar zu einer Unterzeichnung der Verträge kommen sollte, bedeutet das nicht, dass bereits im März weitergebaut werden kann. Da die Einigung mit Hochtief die Stadt rund 200 Millionen Euro extra kosten würde, stehen die Verträge unter dem Zustimmungsvorbehalt der Bürgerschaft. Sie hat die Haushaltshoheit.

Am Mittwoch in der ersten Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses nach Abschluss der Zeugenbefragungen wurde deutlich, in welcher Zwickmühle sich die Abgeordneten dadurch befinden. Für sie wird es darum gehen, sich nur so wenig Zeit zu nehmen, um das Bauprojekt nicht zusätzlich zu verschleppen. Immerhin kostet jeder Tag Stillstand schätzungsweise 100.000 Euro. Aber die Bürgerschaft wird sich so viel Beratungs- und Bedenkzeit erbeten müssen, dass sich die Fehler aus den Anfängen des Projektes nicht wiederholen.

Experten sollen die letzte Draufsicht haben

Geladen hatten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses am Mittwoch die beiden Wirtschaftsprofessoren Dietrich Budäus aus Hamburg und Holger Mühlenkamp aus Speyer. Bereits in ihren Eingangsstatements fassten die beiden Ökonomen zusammen, was sich der Ausschuss in seinen 42 vorherigen Sitzungen durch zum Teil mühsame Befragungen erarbeitet hatte: Die Ausschreibung der Verträge sei im Jahr 2006 zu früh erfolgt, das gewählte Vertragskonstrukt, bei dem die Stadt zwischen dem Generalunternehmer und dem Generalplaner gestanden habe, sei zu komplex gewesen. „Das haben sie nicht koordiniert bekommen und ich glaube auch nicht, dass das zu koordinieren wäre“, erklärte Mühlenkamp.

Vor allem aber zeigten beide Wirtschaftswissenschaftler das größte Problem bei Bauprojekten der öffentlichen Hand auf: der enorme Erfahrungsvorsprung der Bauunternehmen. Eine Stadt und erst recht einzelne Verantwortliche würden nur einmal in ihrem Leben ein Bauprojekt von der Komplexität einer Elbphilharmonie durchführen. Ein Bauunternehmen aber werde gerade wegen seiner Erfahrung auf diesem Bereich ausgewählt. Deshalb sei es unerlässlich, so die beiden Professoren, sich externen Sachverstand an die Seite zu holen, der das Projekt unabhängig begleitet und überprüft. Rückenwind für all jene, die eine überhastete Zustimmung zu den neuen Verträgen ablehnen. Diesmal solle man lieber gründlich zu Werke gehen. Mit einer übereilten Entscheidung des Parlaments ist aber ohnehin nicht zu rechnen. Was es in jedem Fall geben wird, ist eine Expertenanhörung in der Bürgerschaft. Dazu hatte sich am vergangenen Wochenende die SPD-Fraktion auf dem Parteitag der Sozialdemokraten verpflichten lassen.