Mit Ole von Beust beendet der Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie seine Vernehmungen. Ex-Bürgermeister hat viele Erinnerungslücken.
Hamburg. Die Uhr der Rathausdiele hatte gerade 16 Uhr geschlagen, als Ole von Beust für einige Stunden auf die politische Bühne der Stadt zurückkehrte. Zusammen mit seinem CDU-Parteifreund Wolfhard Ploog kam der langjährige Bürgermeister die große Treppe zur Bürgerschaft hinauf und begrüßte die Wartenden mit einem schlichten „Guten Tag.“
Bevor er als letzter Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Elbphilharmonie aussagen musste, gab von Beust sich eher wortkarg. Im Gegensatz zu seiner ersten Vernehmung vor einem Jahr, als er sich schon vor der Sitzung ausdrücklich zu seiner „politischen Verantwortung“ bekannt hatte, betonte Ole von Beust am Donnerstag nur kurz, dass er die Entscheidung für die Elbphilharmonie nach wie vor für richtig halte. „Aber organisatorisch hätte man einiges anders machen können, das liegt doch auf der Hand.“
„Ole, 57 Jahre, Rechtsanwalt aus Hamburg“
Die absehbare Kostensteigerung um weitere 200 Millionen Euro, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Ende Februar mit dem Baukonzern Hochtief vereinbaren will, habe er so nicht erwartet, er wolle die Arbeit seiner Nachfolger aber nicht kommentieren.
In der Vernehmung im Kaisersaal gab sich der 57-Jährige, der von 2001 bis 2010 Erster Bürgermeister war, gewohnt locker und stellte sich zur Erheiterung der Abgeordneten nur als „Ole, 57 Jahre, Rechtsanwalt aus Hamburg“ vor. Wie er sich auf die Sitzung vorbereitet habe? „Gar nicht.“ Ob er ein Statement abgeben wolle? Nein, er habe doch letztes Mal alles gesagt.
Von Beust betonte, dass er sich nie mit Details der Elbphilharmonie-Pläne beschäftigt habe. Das sei aber bei vergleichbaren Großprojekten wie dem UKE-Neubau oder der U4 nicht anders gewesen. „Ich fühlte mich abhängig vom Rat von Fachleuten“, sagte Beust. Insbesondere auf den von ihm eingesetzten Projektkoordinator Hartmut Wegener habe er sich bis zu dessen Abgang 2008 verlassen – wegen der guten Erfahrungen, unter anderem bei der Airbus-Werkserweiterung. Die Kostenschätzungen der Fachleute habe er folglich für realistisch gehalten und nie eine „Salamitaktik“ bei der Kommunikation der Kosten angeordnet.
„Schuld setzt Vorsatz voraus, und Vorsatz schließe ich aus.“
Der PUA soll die enormen Kostensteigerungen und Verzögerungen bei dem Projekt aufklären. So ist der finanzielle Anteil der Stadt an dem Konzerthaus von anfänglich geschätzten 77 Millionen Euro bis Ende 2008 auf mehr als 323 Millionen Euro gestiegen. Bis Ende dieses Monats soll mit Hochtief ein neuer Vertrag abgeschlossen werden, der allein dem Baukonzern 575 Millionen Euro zuspricht. Die gesamte Belastung für die Stadt dürfte deutlich über 600 Millionen Euro liegen. Die Eröffnung des Konzerthauses war ursprünglich für 2009 geplant und dann immer weiter verschoben worden. Die neue Vereinbarung mit Hochtief sieht das nun für 2017 vor.
Von Beust hatte vor einem Jahr im PUA gesagt, er übernehme zwar „die politische Verantwortung“, sehe aber keine Schuld bei sich, denn: „Schuld setzt Vorsatz voraus, und Vorsatz schließe ich aus.“ An viele Details konnte er sich jedoch in beiden Vernehmungen nicht mehr erinnern – und so stehen nach wie vor mehrere schwere Vorwürfe im Raum. Einer lautet, dass in dem Projekt von Anfang an ein enormer Zeitdruck geherrscht habe. Mehrere Zeugen hatten das unterstrichen, auch in den städtischen Akten gibt es Hinweise darauf. So war die Warnung der Architekten, dass ihre Pläne noch nicht fertig seien und dass das ein großes Kostenrisiko beinhalte, ignoriert worden. Die Frage, wer denn diesen Druck ausgeübt habe, blieb unbeantwortet. Beust hatte schon in seiner ersten Vernehmung gesagt, er habe „niemals“ Zeitdruck ausgeübt.
„... aber dann kam der Durchbruch nicht.“
Der zweite Kernvorwurf bezieht sich auf die Verdreifachung der städtischen Kosten Ende 2008. Wegener hatte im PUA beteuert, er habe eine sehr viel günstigere Lösung mit Hochtief ausgehandelt, bevor es jedoch zum „unsachgemäßen Eingreifen des Ersten Bürgermeisters in mein operatives Geschäft“ gekommen sei. Sprich: Von Beust bat seinen von vielen Beteiligten als selbstherrlich beschriebenen Projektkoordinator im September 2008 um Rücktritt, womit der Weg frei war für den viel teureren Nachtrag 4 – mit dem die Kosten für die Stadt um 209 Millionen Euro gestiegen waren.
Von Beust stellte diese dramatische Phase anders dar: Wegener habe ihm mehrfach verkündet, er stehe kurz vor dem Durchbruch, „aber dann kam der Durchbruch nicht“. Schließlich sei bei ihm der Eindruck gereift, dass der Projektkoordinator es nicht mehr schaffe. Zudem seien viele Beteiligte wie die Architekten und Kultursenatorin Karin von Welck „todunglücklich“ über Wegeners Vorgehen gewesen und hätten ihn für die „Verkantung“ der Lage verantwortlich gemacht. Daher sei es besser gewesen, sich zu trennen. Etwas überraschend betonte der Bürgermeister a.D., dass er die Elbphilharmonie zwar für „vernünftig“ gehalten habe, aber „nie der Euphoriker“ gewesen sei. „Ich bin jobmäßig und politisch ein relativ unemotionaler Mensch.“