Experte zweifelt an Klangqualität des 600-Millionen-Gebäudes. Der Saal sei viel zu hoch

Hamburg. "Einer der zehn besten Konzertsäle der Welt" soll sie werden - das war immer der Anspruch an die Elbphilharmonie. Doch bezogen auf die Akustik, also die Kernfunktion des mehr als 600 Millionen Euro teuren Gebäudes, gibt es unter Experten erhebliche Zweifel, ob der Klang wirklich höchsten Ansprüchen genügen wird. Mehr noch: "Die Stadt hat es versäumt, konkrete, zahlenmäßige Zielwerte zu definieren - das ist unverantwortlich und unglaublich unprofessionell", sagte Uwe M. Stephenson, Professor für Raumakustik an der HafenCity Universität, im Gespräch mit dem Abendblatt.

Er widerspricht Darstellungen der Kulturbehörde, wonach "gute Akustik" gar nicht messbar sei. "Es gibt sogar eine internationale Norm, die Kriterien für ,gute Akustik' liefert, Sollwerte dazu stehen in jedem Raumakustik-Lehrbuch", so Stephenson. Seine Berechnungen auf Grundlage von Schätzungen - die exakten Daten des Gebäudes hat die Stadt nicht zur Verfügung gestellt - führen zu besorgniserregenden Ergebnissen: Demnach ist der Große Saal mit bis zu 30 Metern viel zu hoch - ideal seien zehn Meter. Entsprechend entfalle auf jeden der maximal 2150 Zuhörer ein Raumvolumen von deutlich mehr als die empfohlenen zehn Kubikmeter, so Stephenson. In Kombination mit dem zeltförmigen Dach könne das dazu führen, dass die Nachhallzeit nicht bei zwei Sekunden liege - das gilt als ideal für klassische Konzerte -, sondern bei bis zu drei Sekunden. "Das wäre dann unbrauchbar für ,exzellente Akustik'", sagte Stephenson. Der riesige Reflektor, der wie ein nach unten offener Trichter in der Mitte des Saals hängt und die Akustikprobleme lindern soll, könnte sich im Gegenteil negativ auf den Klang auswirken. Fachleute aus anderen Ländern teilten seine Einschätzungen.

Stephenson hatte seine Bedenken gegenüber der Politik seit Jahren immer wieder vorgetragen - meist ohne Resonanz. Jetzt gibt er seine Zurückhaltung auf: "Ich kann nicht beweisen, dass die Akustik schlecht wird", sagt er. Aber angesichts der Neuordnung der Verträge mit dem Baukonzern Hochtief, die bis Ende Februar stehen soll und die Stadt weitere 200 Millionen Euro kosten wird, verlange er "im Interesse der Steuerzahler, dass die Stadt den positiven Beweis vorlegt, dass die Akustik gut wird". Bezeichnenderweise will Hochtief künftig sämtliche Risiken und Garantien für das Gebäude übernehmen - außer für die Akustik. Nach Auskunft der Kulturbehörde wird darüber aber immer noch verhandelt.

Einen Beweis für das Erreichen der angestrebten Klangqualität gibt es in der Tat nicht. Das hat der Senat jetzt auf Anfrage der Grünen bestätigt. Zwar gilt der beauftragte Japaner Yasuhisa Toyota als der "Akustik-Guru" schlechthin, aber seine Berechnungen habe niemand kontrolliert. Lediglich die Architekten hätten Toyotas Pläne "bewertet". Das sei "untragbar", sagte die Grüne Eva Gümbel. Sie stimmte Stephenson zu: "Wir brauchen dringend eine zweite Expertise zur Akustik."