Aktiv Transport hat 2012 fast 7000 Autos für die Polizei entfernt. Die Staatsanwalt ermittelt wegen Erpressung und Nötigung.
Ottensen. Ort enormer Verärgerung ist immer wieder der Kundenparkplatz vor Rewe an der Barner Straße in Ottensen. Ein Lokaltermin: Der Platz mit knapp 100 Stellplätzen ist nur teilweise besetzt, dennoch klemmt ein Mitarbeiter der Firma Aktiv Transport kleine Zettel hinter die Scheibenwischer jener Autos, in denen keine Parkscheibe platziert oder deren Zeit abgelaufen ist.
"Sie erhalten in den nächsten Tagen Post", steht darauf. "Mit freundlichen Grüßen." Der Mann sitzt in einem Smart und hat alles im Blick. Minutiös wird notiert, welcher Pkw wann kommt. Manchmal steigt der Mann mit Warnweste aus, macht Beweisfotos oder verteilt Zettel.
Eine solche Nachricht kann teuer werden. Bisweilen werden Kunden mit mehr als 150 Euro zur Kasse gebeten - obwohl weit und breit kein Abschleppwagen zu sehen war. "Die Erreichbarkeit eines Marktes ist für seine wirtschaftliche Basis von entscheidender Bedeutung", argumentiert Rewe.
Doch darum geht es nach Meinung Betroffener gar nicht. Tenor unserer Umfrage vor Ort: Wer falsch oder zu lange parkt, muss mit Strafe rechnen, das sieht jeder ein. Ärger macht sich dann breit, wenn hohe Forderungen gestellt werden: mehr als 150 Euro für eine Verwarnung ohne und bis zu 280 Euro mit Abschleppen.
Ein Beispiel: Vom Rewe-Markt Ottensen bis zum Autohof von Aktiv Transport sind es gerade mal 2,5 Kilometer. Empörung macht sich zudem breit, wenn Autos auf nur spärlich besetzten Parkplätzen oder nachts an den Haken kommen. Die Verbraucherzentrale spricht von Abschlepp-Nepp, Fernsehberichte von "Abzocke in großem Stil". Im laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg geht es um Erpressung und Nötigung. Rechtsanwalt Andreas Blees und betroffene Autofahrer nennen übereinstimmend folgende Orte, an denen es zu Beschwerden von parkenden Kunden kam: "Rewe in Ottensen, Farmsen-Berne, Bahrenfeld; McDonald's an der Stresemannstraße; Sky und Aldi am Holsteinischen Kamp; Edeka an der Conventstraße; Penny Kieler Straße, Born-Center; Lidl Mendelssohnstraße."
Rund 50 Parkplätze werden von Hamburger Supermärkten von Abschleppunternehmen betreut. Auch Fitnesscenter und Kliniken werden kontrolliert. Betroffene Kunden beobachteten Mitarbeiter von Aktiv Transport oft in einem schwarzen, weißen, blauen oder silberfarbenen Smart. Auch Hartwig Gohr, Außendienstmitarbeiter aus Heidelberg, ist sauer: Am 17. Januar wurde sein Auto auf dem Parkplatz vor Penny an der Holsteiner Chaussee abgeschleppt - obwohl maximal die Hälfte der etwa 100 Stellplätze belegt gewesen sei. Der Preis: 212,50 Euro, zahlbar in bar. "Die Unwissenheit anderer wird benutzt, sich zu bereichern", meint Hartwig Gohr.
Tabea Hentschkes Auto kam bei McDonald's an der Kieler Straße an den Haken. "Beim Auslösen erhielt ich erst nach mehreren Aufforderungen eine Quittung", berichtet sie. Und Wolfgang Schumacher, Vertriebsmanager aus Bramfeld, wurde bei Rewe am U-Bahnhof Farmsen abgeschleppt - für 270 Euro. Mehrere schriftliche Aufforderungen an Aktiv Transport auf Rückzahlung blieben ohne Reaktion. Schumacher schaltete den Hamburger Rechtsanwalt Andreas Blees ein, der Klage erhob. "Das Gericht verurteilte Aktiv Transport zur Erstattung aller Kosten sowie zur Übernahme der Anwalts- und Gerichtsgebühren", sagt Schumacher. "Ich bin aus der Nummer ohne finanziellen Aufwand, aber mit viel Zeit und Geduld herausgekommen." Nicht alle haben so stabile Nerven.
Aktiv Transport ist auch im Auftrag der Hamburger Polizei aktiv - 6991-mal allein im vergangenen Jahr. "Dieses Unternehmen wurde im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung beauftragt", sagt Björn Domroese im Namen der Finanzbehörde. Die Vereinbarung gilt für die Reviere von drei Polizeikommissariaten, läuft seit 2006 und gilt noch bis Mitte 2014. Wer hinter einem Bieter stehe, werde vergaberechtlich nicht kontrolliert. Auch auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle am Ausschläger Weg in Hammerbrook schleppt Aktiv Transport ab - allerdings nicht als fester Vertragspartner, sondern auf Abruf. "Leider verhalten sich einige Kunden so, dass ein Abschleppvorgang unverzichtbar ist", sagt Andreas Schorling, stellvertretender Geschäftsführer des Landesbetriebs Verkehr. Das sieht Markus Schneider aus Eimsbüttel anders: "Ich parkte im Hof auf dem großen hauseigenen Parkplatz." Angeblich habe er ein Wohnmobil behindert, "was sich durch ein Foto widerlegen lässt". Zuvor erfolge grundsätzlich eine Lautsprecherdurchsage im Hause, entgegnet Andreas Schorle. Auf eine solche Praxis verweist auch Raimund Esser, Bereichsleiter Unternehmenskommunikation der Rewe Group. Er spricht von "großzügigen Kulanzzeiten" und Partnerschaft mit Aktiv Transport "im Sinne der Kundenfreundlichkeit". "Auftragnehmer wie Aktiv Transport werden ja nur tätig, wenn sie beauftragt werden", sagt der Grünen-Politiker und frühere Justizsenator Till Steffen. "Die Frage, warum zum Beispiel Supermarktplätze nachts freigeräumt werden müssen, ist deswegen auch an die Auftraggeber zu richten."
Hagen Riemann, Rechtsanwalt von Aktiv Transport, verteidigt die Praxis: "Kürzlich hat das Landgericht entschieden, dass der Stundensatz von 135 Euro nicht überhöht ist." Durch Aktiv Transport hätten viele Geschäfte ihre Umsätze erhöhen können, weil mehr Parkraum für Kunden vorhanden sei. Zum Thema Abschleppen in der Nacht sagte Riemann: "Nachts wird nur in Feuerwehrzufahrten abgeschleppt und wenn die Fläche für nächtliche Anlieferungen oder für den Aufbau eines Wochenmarktes freigehalten werden muss."
Dazu, dass Aktiv Transport auch für die Stadt Hamburg arbeitet, sagt Ole Thorben Buschhüter (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft: "Ich finde es unbefriedigend, wenn die Stadt mit einem Unternehmen zusammenarbeitet, das im Falle von privaten Grundstücken für eine fragwürdige Abschlepppraxis bekannt ist." Allerdings seien die Abschleppkosten bei staatlich veranlassten Aufträgen festgelegt und unterlägen "nicht der Willkür des Abschleppunternehmens". Sollten von der Stadt beauftragte Leistungen durch Aktiv Transport nicht vertragsgemäß erbracht werden, müssten Buschhüters Ansicht nach eine Abmahnung oder sogar eine Vertragskündigung geprüft werden.
Sein CDU-Bürgerschaftskollege Klaus-Peter Hesse fordert eindeutige Spielregeln: "Noch in Regierungsverantwortung habe ich die Innenbehörde aufgefordert, bei einer erneuten Ausschreibung darauf zu achten, nicht nur finanzielle Aspekte bei der Vergabe der Lizenzen zu berücksichtigen." Es müsse die Möglichkeit einer Kündigung von Verträgen bei berechtigten Beschwerden geben.
Ähnlich sehen es die Linken. "Wenn über eine Firma, die im Auftrag der Stadt abschleppt, so massiv Beschwerden kommen und Gerichtsverfahren laufen", sagt Fraktionssprecher Florian Kaiser, "sollte die Stadt ernsthaft prüfen, ob die Zusammenarbeit beendet werden muss." Seine Forderung: "Die Abzocke muss aufhören, die Beträge sind überteuert. Dazu brauchen wir eine Begrenzung der Abschleppgebühren, notfalls per Gesetz."