270 Euro fürs Abschleppen. 150 Euro für falsches Parken. Die dubiosen Praktiken des Unternehmens Aktiv Transport stoßen auf.
Ottensen. Falsch parken: 151,75 Euro. Auto abgeschleppt: 270 Euro. Das sind keine Fantasiezahlen, sondern ganz reale Beträge, die Hamburger Autofahrer zahlen mussten. Ihr Vergehen: Sie standen zu lange auf Supermarkt-Parkplätzen oder vergaßen die Parkscheibe. Ihr Pech: Sie hatten es mit der Firma Aktiv Transport aus Hamburg zu tun. Autofahrer, Verbraucherschützer und Rechtsanwälte werfen dem Unternehmen Abschleppnepp und - höflich formuliert - zweifelhafte Geschäftsmethoden vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen das Unternehmen. "Gegenstand des laufenden Verfahrens sind die Vorwürfe der Nötigung und des Betrugs", bestätigt Oberstaatsanwältin Nana Frombach im Namen der Generalstaatsanwaltschaft.
Parallel zum Unmut herrscht vielfach Unverständnis, warum ein derart umstrittener Betrieb zudem im Auftrag der Hansestadt eingesetzt wird. Im vergangenen Jahr schleppte Aktiv Transport in Hamburg 6.991-mal für die Polizei ab; das entspricht einem Fünftel aller staatlichen Aufträge. Die Zahl der Einsätze im Auftrag von Firmen wie Rewe, Penny, Lidl, Sky, Edeka oder McDonald's ist nicht bekannt. Trotz mehrfacher Anfrage gab es von der Abschleppfirma dazu keine Antwort.
Der Ärger ist nicht neu, hat jedoch eine neue Dimension erreicht. Dabei dreht es sich in erster Linie um überhöhte Forderungen, die mit rigorosen Methoden eingetrieben werden sollen. So verlangt Aktiv Transport von einem Kunden des Supermarktes Rewe in Ottensen sage und schreibe 151,75 Euro für falsches Parken - ohne Abschleppvorgang. Der Kunde hatte bei Rewe für 123,95 Euro eingekauft und die zulässige Parkzeit auf dem Stellplatz Barner Straße um 80 Minuten überschritten. Zum Vergleich: Auf öffentlichem Parkgrund kostet ein solches Vergehen 15 Euro. Bis zu 30 Minuten kosten fünf Euro. Hamburger, deren Auto tatsächlich am Haken hingen, werden mit bis zu 275 Euro zur Kasse gebeten. "Die schlechten Erfahrungen mit Aktiv Transport könnten ganze Bücher füllen", sagt Wolfgang Niendorf, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Club-Syndicus des ADAC Hansa. "Die Bürger können nicht nachvollziehen, dass sie für ein kurzfristiges Parken, häufig natürlich unberechtigterweise, hohe Abschleppkosten bezahlen müssen." Dies gelte insbesondere bei den tatsächlich ausgeführten oder abgebrochenen Abschleppaktionen auf Parkplätzen verschiedener Supermärkte. "Außerdem ärgern sich die Verkehrsteilnehmer darüber, dass sie das Fahrzeug nur zurückerhalten, wenn sie zuvor bezahlen."
Sein Fazit: "Auch wenn Abschleppmaßnahmen gesetzlich zulässig sind, lehnt der ADAC Einsätze ab, die der Einzelne als Abzocke empfindet, weil er deren Sinn nicht erkennen kann."
"Die Forderungen sind zu hoch, das haben Gerichtsverfahren bestätigt", ergänzt Julia Rehberg, Abteilung Recht/ Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Hamburg, "und es ist befremdlich, wenn darauf nicht reagiert wird." Immer wieder gebe es Beschwerden über Aktiv Transport, deren Geschäftspraktiken ein "regelmäßiges Thema" seien.
Über Details informiert die Zentrale auf ihrer Internetseite unter dem Stichwort "Abschlepp-Nepp": "Aktiv Transport und andere private Unternehmen schleppen Wagen von Großparkplätzen ab. Wenn Ihnen das passiert und Sie eine saftige Strafe erhalten, raten wir: Ruhe bewahren!" Überall in Deutschland wird mit diesem Geschäftsmodell gutes Geld verdient, doch weiß die Verbraucherzentrale: "In Hamburg ist vor allem Aktiv Transport unterwegs." Julia Rehberg empfiehlt betroffenen Autofahrern, Nerven zu haben und sich nicht einschüchtern zu lassen. Allerdings sollte man "einmal reagieren", am besten per Einschreiben. Kommt allerdings Post vom Gericht, müsse gehandelt werden.
Das gilt für angebliche Falschparker, deren Auto nicht abgeschleppt wurde, die jedoch überhöhte Rechnungen, dann Mahnungen und schließlich Anwaltsschreiben erhalten. Ganz andere Probleme haben Hamburger, deren Pkw tatsächlich abgeschleppt wurde. Wer nicht tage- oder gar wochenlang auf sein Auto warten möchte, hat anfangs keine Wahl: Er muss in Vorleistungen treten, einen abgelegenen Autohof in Bahrenfeld besuchen und dort nach allgemeiner Einschätzung "unverschämt viel Geld" bezahlen - in bar, sonst geht gar nichts. Später kann er dieses Geld oder einen Teil davon einklagen.
Diesen Weg beschreitet im Moment der selbstständige Marken- und Strategie-Berater Markus Schneider aus Eimsbüttel. Im Januar hatte er sein Auto vor der Kfz-Zulassungsstelle am Ausschläger Weg in Hammerbrook im Parkverbot abgestellt, um seinen Oldtimer anzumelden. "Ich hatte einen Termin, und als ich nach einer Viertelstunde zurückkam, war das Auto weg", schildert Schneider den Vorgang aus seiner Sicht. "Dort war alles frei, es gab gar keinen Grund, gleich abzuschleppen." Zumal er wohlweislich hinter der Windschutzscheibe einen Zettel mit seiner Handynummer deponiert hatte. Mitarbeiter der Zulassungsstelle hätten ihn zum Hogenfeldweg nach Bahrenfeld geschickt.
"Auf einem finsteren Hinterhof in einem Gewerbegebiet war mein Auto abgestellt", erinnert sich Schneider. "An einem Container mit einem vergitterten Fenster wurde ich unfreundlich behandelt. Der Mitarbeiter dort weigerte sich, mir seinen Namen zu nennen. Erst nach Barzahlung von 212,50 Euro sollte ich mein Auto zurückerhalten." Vorsichtshalber habe er einen Zeugen mitgenommen. Auch dieser habe weitere zehn Minuten Wartezeit an einer Schranke beobachtet: "Wir beide haben an der Seite des Autos eine Beschädigung festgestellt. Zwei BeschwerdeMails an Aktiv Transport blieben ohne Reaktion."
Auf Empfehlung der Verbraucherzentrale schaltete Markus Schneider den in solchen Fällen routinierten Rechtsanwalt Andreas Blees ein (siehe Interview). Der Jurist wird nun Aktiv Transport zur Rückerstattung zumindest eines Teils der Abschleppkosten sowie des entstandenen Schadens auffordern. Für ihn ist es einer von etwa 20 ähnlichen Vorgängen in den letzten drei Jahren. Seine Erfahrung: "Außergerichtlich läuft mit Aktiv Transport gar nichts, das geht nur auf dem Verfahrensweg." Er selbst habe "noch nie einen Vertreter dieser Firma zu Gesicht bekommen". Auch gegenüber dem Abendblatt wollte sich das Unternehmen nicht zu einzelnen Fragen äußern.
Anwalt Blees sagt dazu, dass es sich um ein ausgesprochen gut funktionierendes Geschäftsmodell handele - leider auch im Auftrag der Hansestadt Hamburg.