Streit um eine Windmesse, keine Lösung beim Hafenschlick – im Norden knirscht es zuweilen. Kooperation macht auch Fortschritte.

Kiel/Hamburg. Im Wettbewerb mit dem wirtschaftlich mächtigen Süden will der Norden endlich Boden gutmachen. Das geht nur gemeinsam – darin sind die Regierungschefs in Kiel, Hamburg, Bremen, Hannover und Schwerin einig. Aber ist die Kooperation so gut, wie sie sagen? Oder ist sie viel schlechter geworden, wie Oppositionsleute meinen? Fortschritte wie die gemeinsame Interessenvertretung beim Bund in Sachen Windstrom-Ausbau und Verkehrsinfrastruktur verlaufen unspektakulär, ungelöste Konflikte machen umso größeres Aufsehen.

Da ist etwa der Streit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg um die internationale Leitmesse der Windenergie. Husum in Nordfriesland richtet sie seit 20 Jahren aus, mit zuletzt 1123 Ausstellern aus 28 Ländern. Die Messe ist für die nächste Auflage 2014 bestens gebucht, doch wenn sich nichts tut, hebt Hamburg dann zur gleichen Zeit eine Konkurrenzveranstaltung aus der Taufe. Als der Plan ohne Absprache publik wurde, war der Dauervorwurf hanseatischer Arroganz wieder da.

Eine Einigung könnte auch für andere Vorhaben atmosphärisch befreiend wirken. Immerhin hatte Kiel eine Entscheidung zur Entsorgung Hamburger Hafenschlicks vor seiner Küste gestoppt, nachdem eine Verständigung im Messestreit gescheitert war.

Dieser ist im Norden hoch emotional, aber von der realen Dimension ist anderes wichtiger. Der Ausbau des Autobahnnetzes und des Nord-Ostsee-Kanals, der Fehmarnbelt-Tunnel, die Erweiterung des S-Bahn-Netzes um Hamburg und Trassen zum Transport des Windstroms aus Parks in der Nordsee und Anlagen an Land sind nur die größten Projekte. Den S-Bahn-Ausbau zwischen Hamburg und Bad Oldesloe sowie Kaltenkirchen treiben Kiel und Hamburg voran, um die Pendlerströme in den Griff zu bekommen. Zehntausende sind hier täglich unterwegs, wie auch mit der S-Bahn zwischen Hamburg und Stade. Vor allem Hamburgs Hafen bietet Arbeitsplätze für Menschen aus der ganzen Region.

„Wir arbeiten partnerschaftlich zusammen und sind sehr aktiv dabei, das in ordentliches Fahrwasser zu bringen“, sagt der Kieler Ministerpräsident Torsten Albig zur Kooperation mit Hamburg. „Die Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Ländern ist hervorragend“, erklärt Kollege Olaf Scholz (beide SPD). „Wir wissen, dass wir nur miteinander etwas erreichen können.“ Die Kooperation sei gelebter Alltag.

Bei den großen Verkehrsprojekten geht es um viel Bundesgeld und Sensibilität in Berlin für den Norden – da tut sich was. So lobt Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) nicht nur die Zusammenarbeit mit Niedersachsen insgesamt und beim JadeWeserPort im Besonderen. Er sieht die Kooperation generell auf gutem Weg und schon mehr Gewicht beim Bund, weil die Länder Interessen dort gemeinsam wahrnehmen. „Das ist ein neues und erfolgreiches Rezept und hat die Durchschlagskraft Norddeutschlands auf der Berliner Bühne erhöht.“

Auch im „Kleinen“ geht es voran. So darf Schleswig-Holstein elf Sicherungsverwahrte in Hamburg unterbringen, braucht keine eigene Einrichtung. „Hier haben wir sehr kooperativ und vertrauensvoll zusammengearbeitet“, lobt Justizministerin Anke Spoorendonk vom SSW (Südschleswigscher Wählerverband). Eine größere norddeutsche Lösung war aber nicht zustande gekommen.

Hamburg und Niedersachsen fanden auch zusammen: In Stade setzten die Regierungschefs Scholz und David McAllister (CDU) die Richtkrone für ein gemeinsames Staatsarchiv.

Überhaupt: Das Parteibuch entscheidet nicht über Harmonie oder Zoff zwischen den Ländern. So kam die Kieler SPD-Frau Heide Simonis mit ihrem Hamburger Parteifreund Henning Voscherau gar nicht zurecht, mit dem Christdemokraten Ole von Beust dagegen prima. Nun müssen die Parteifreunde Scholz und Albig noch den Windmesse-Streit abhaken. „Ich bin ganz sicher: Am Ende des Tages werden wir das hinbekommen, genauso, wie wir am Ende die Verbringung des Hamburger Hafenschlicks gelöst haben werden“, sagt Albig.

„Eine Lösung beim Thema Windmesse kann nur heißen, dass wir 2014 eine in Husum haben“, betont er. „Auf der Basis von mehr Zeit wollen wir dann sehen, wie es 2014 in einer Welt aussieht, in der beide Standorte eine vernünftige Rolle haben werden. Aber die Vorstellung, 2014 binnen einer Woche in eine Messe mit Vestas in Husum und in eine mit Siemens in Hamburg zu gehen, ist geradezu absurd.“

Die Bereitschaft sei groß, mit Hamburg Lösungen für die Jahre ab 2016 zu suchen, betont Albig. Dabei könnte auch eine Rolle spielen, dass sich die Märkte für Onshore und Offshore unterschiedlich entwickeln. Die Idee, eine Onshore-Messe in Husum zu machen und eine für Offshore in Hamburg, war schon vor Monaten aufgetaucht. Und Scholz?: „Es gibt gute Gespräche zwischen den Messen und der Industrie. Ich bin optimistisch, dass es am Ende vernünftig laufen wird.“

Vielleicht gibt es ja schon zu Jahresbeginn Neues: Am 9. Januar sprechen die Wirtschafts-Ressortchefs Reinhard Meyer (Kiel) und Frank Horch (Hamburg) in der Hansestadt über Perspektiven für beide Länder.