Bei Kundgebung gegen „Mietenwahnsinn” versuchten Teilnehmer ein Haus in der Bleicherstraße zu besetzen. Die Polizei ist vor Ort.
Hamburg. Festnahmen in der Schanze: Nach einer grundsätzlich friedlichen Demonstration gegen den „Mietenwahnsinn” in Hamburg, hat die Polizei am Abend in der Schanze zwölf Menschen vorläufig festgenommen. Sie waren in ein Haus in der Bleicherstraße 14 eingedrungen. Laut Polizeisprecher Holger Vehren liegt der Verdacht des Hausfriedensbruchs vor. Wahrscheinlich wollten die Demonstranten das Haus symbolisch besetzen. Neuen weitere Personen warten bereits im Innenhof des Hauses.
Etwa 2800 Menschen waren unter dem Motto „Schlaflos in Hamburg! Mietenwahnsinn stoppen“ auf die Straße gegangen. Sie kritisierten, dass immer weniger Menschen die steigenden Mieten in Hamburg bezahlen könnten. Besonders betroffen seien Auszubildende, Studenten, Arbeitslose oder sozial Benachteiligte.
Am Abend gab es laut Polizei „starke Abwanderung” vom Hauptdemonstrationszug. Nur etwa 1000 Demonstranten gingen weiter in Richtung Altonaer Fischmarkt zur Abschlusskundgebung. 400 andere Demonstranten blieben in der Schanze und versammelten sich in der Bleicherstraße Nummer 14. Nach Gesprächen mit der Polizei meldeten sie dort um 18.03 Uhr eine „stationäre Kundgebung” an. In deren Folge gelang es einigen Demonstranten in das Haus einzudringen. Sowohl Demonstranten als auch Polizei sind zur Stunde immer noch in der Bleicherstraße.
Die eigentliche Demonstration war hingegen weitgehend friedlich geblieben. Laut Polizei, die die Demonstration mit 1000 Beamten begleitet hat, habe es nur einige kleinere Zwischenfälle gegeben. So hätten einige Demonstranten Pyrotechnik abgebrannt.
Die Demonstranten marschierten mit Parolen und Gesängen, durch die Innenstadt. Verstärkt wurden sie dabei von Trommeln und Vuvuzelas. Um 13 Uhr hatten sich bereits die ersten 200 Demonstranten auf dem Hachmannplatz am Hauptbahnhof zu einer Kundgebung versammelt, wo sich auch Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg zu Wort meldete. Der Einwohnerverein St. Georg kämpft gegen die steigenden Mietpreise in St. Georg und setzte sich bis zuletzt für den Erhalt der Buchhandlung Wohlers in der Langen Reihe ein. Michael Joho machte in seiner Rede deutlich: „Der Senat muss endlich in die Hufe kommen!” Dafür erhielt er von den Demonstranten Beifall. „Ich bin heute hier, weil die Entwicklung der Mietpreise in Hamburg in eine wahnsinnige Höhe geht. Bevor nur noch Betuchte in unserer Stadt leben, gehe ich lieber auf die Straße!”, sagt Demonstrant Eugen Schanz, 70, aus Neugraben.
Auch auf Plakaten artikulierten die Demonstranten ihre Forderungen: „Backsteine statt Glaspaläste“, „Wohnraum vergesellschaften“. „Die Wohnungsnot hat sich auf viele Stadtteile ausgedehnt. Viele hundert Menschen werden in Folge von Mietsteigerungen verdrängt“, sagte Michael Joho, Sprecher des Einwohnervereins St. Georg.
Antonio Vega, Sprecher von „Avanti – Projekt undogmatische Linke“, unterstrich: „Von dieser Entwicklung sind am schlimmsten die getroffen, die sowieso schon wenig Chancen haben. Sie finden keine Wohnung und schlafen in Kellern, auf Dachböden, in Containern oder unter Brücken. Wir brauchen neue gesellschaftliche Regelungen zur Vergabe von Wohnraum jenseits von Markt und Staat.“
Nach der ersten Kundgebung zog der Demonstrationszug über Mönckebergstraße, Jungfernstieg und Gänsemarkt weiter bis zum Gängeviertel, wo ein Zwischenstopp für eine weitere Kundgebung eingelegt wurde: Die Veranstalter machten auf die problematische Situation in dem Viertel am Gänsemarkt aufmerksam. Zwischenzeitlich wuchs die Menschenmenge auf 2800 Teilnehmer an. Eine Demonstrantin: „Es gibt in Hamburg zu wenig Sozialwohnungen und zu viele Eigentumswohnungen, das entwickelt sich in eine falsche Richtung.”
Die Protestbewegung will, dass eine gesetzlich festgelegte Mietobergrenze bei allen Neuvermietungen festgelegt werden soll. Zudem treten die Beteiligten dafür ein, dass die Besetzung von leerstehenden Gebäuden entkriminalisiert werden soll.
Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zahlen momentan Mieter in Hamburg und München am meisten. In vielen deutschen Großstädten sollen der DIW-Untersuchung zufolge die Mieten im nächsten Jahr weiter zulegen.
Gegen 17 Uhr - nach mehr als drei Stunden - erreichte der Zug nach seinem Marnsch durch die Feldstraße und über die Reeperbahn ihren Zielort, den Fischmarkt in Altona. Von den 2800 Teilnehmern blieben bis zum Schluss etwa 1000 übrig. Mit einem Feuerwerk beendeten sie die Demonstration.