Während Bürgermeister Scholz und Unternehmer für den Hafen werben wollen, schlagen in Hamburg nach Gerichtsurteil die Wellen hoch.

Hamburg/Mumbai. Einen Tag vor einer großen Werbeaktion für den Hamburger Hafen in Mumbai hat die Nachricht vom vorläufigen Baustopp bei der geplanten Elbvertiefung auf der Indienreise von Bürgermeister Olaf Scholz für Aufsehen gesorgt. Der SPD-Politiker ist mit einer Delegation unterwegs, um neue Wirtschaftskontakte zu knüpfen. Die Meldung, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die geplante Elbvertiefung zunächst gestoppt hat, erreichte den Bürgermeister, Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und den Geschäftsführer der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority, Jens Meier, am Mittwoch mitten in einer Veranstaltung.

Der Wirtschaftssenator rechnet trotz des vorläufigen Stopps der geplanten Elbvertiefung aber weiter mit der Durchführung des Großprojekts. Er sei weiter von einem positiven Ausgang des Hauptverfahrens überzeugt, sagte er auf der Indienreise einer Hamburger Delegation um Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Horch sei weiter optimistisch, „dass wir trotz dieses Eilentscheids nicht zu langjährigen Verzögerungen kommen“.

Am Donnerstag ist eine Veranstaltung für indisches Fachpublikum über die Hamburger Hafen- und Logistikbranche vorgesehen. Mit der Elbvertiefung soll sichergestellt werden, dass große Containerschiffe bis zu einem Tiefgang von 14,50 Metern den Hamburger Hafen erreichen können. Das Bundesverwaltungsgericht verbot eine Ausbaggerung der Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven vorerst, eine endgültige Entscheidung steht aber noch aus. Bis Mega-Containerschiffe den Hafen voll beladen ansteuern können, dürften nun Jahre vergehen. Das Gericht hatte einem Eilantrag von Naturschützern stattgegeben

Abgesehen von Maßnahmen zur Ufersicherung – Altenbrucher Bogen – und zur Baufeldräumung dürfe vorerst nicht mit weiteren Arbeiten begonnen werden, entschied das Gericht (BVerwG 7 VR 7.12). Es habe seine Entscheidung über den Baustopp aufgrund einer Interessenabwägung getroffen. Der Beschluss bedeutet nach Angaben des Gerichts noch keine Vorentscheidung über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens. Einen Termin dafür gebe es noch nicht und sei auch noch nicht absehbar, sagte eine Gerichtssprecherin in Leipzig auf Anfrage. Eine solche Verfahrenseröffnung kann sich bis zu eineinhalb Jahren hinziehen.

WWF: „Große Chance”

Unterdessen sagte die Naturschutzreferentin des WWF Deutschland, Beatrice Claus: „Der Gerichtsentscheid ist eine große Chance für den Naturschutz an der Elbe. (...) Es zeigt, dass europäisches Naturschutzrecht in Deutschland ernst genommen wird. Die erste große Hürde auf dem Weg zu einer lebendigen Tideelbe ist genommen.“

Der Vorsitzende des Nabu Hamburg, Alexander Porschke: „Hafenkooperation muss an die Stelle eines Subventionswettlaufs der Nordseehäfen treten und die Elbtiefe kann nicht ausschließlich an den Interessen der Reeder orientiert werden.“

Manfred Braasch, BUND Landesverband Hamburg: „Der Baustopp für die Elbvertiefung, den das Bundesverwaltungsgericht heute bekannt gegeben hat, ist ein erster wichtiger Erfolg für den Natur- und Gewässerschutz an der Tideelbe. Offensichtlich haben unsere Argumente in einem ersten Prüfdurchgang das Gericht überzeugen können. Wir halten die geplante Elbvertiefung für ökologisch nicht mehr vertretbar, zumal mit einem norddeutschen Hafenkonzept Alternativen gegeben wären. Das Hauptsacheverfahren wird jetzt zwei bis vier Jahre in Anspruch nehmen, je nach dem ob das Bundesverwaltungsgericht noch bestimmte Fragen des europäischen Wasserrechtes dem EuGH vorlegen muss. Die Arbeit geht also nicht aus, aber heute freuen wir uns riesig.”

Handelskammer spricht von Rückschlag

Der Präses der Handelskammer Hamburg, Stellungnahme von Fritz Horst Melsheimer: „Die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Hamburger Wirtschaft ein zeitlicher Rückschlag, aber keineswegs eine Entscheidung gegen die Fahrrinnenanpassung. Das Gericht hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass vor Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache keine substanziellen Arbeiten zur Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden können.“

CDU: Schlechte Nachricht

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dietrich Wersich: „Das ist eine schlechte Nachricht für Hamburg. Es ist mehr als ärgerlich, dass es nun nicht den von Bürgermeister Scholz angekündigten schnellen Ausbau gibt. Stattdessen entscheiden wieder mal Gerichte über für Deutschland und Hamburg existenziell wichtige Infrastrukturmaßnahmen. Denn wir sollten nicht vergessen, dass die Fahrrinnenanpassung für Wohlstand und Arbeitsplätze in Hamburg dringend erforderlich ist, aber auch für ganz Deutschland im internationalen Wettbewerb eine hohe Bedeutung hat.“

Grüne: Warnungen in den Wind geschlagen

Der Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Jens Kerstan: „Eine Elbvertiefung im Hauruck-Verfahren wird es nicht geben. Damit ist die Strategie, der Wirtschaft einseitig Vorfahrt vor der Umwelt zu geben, gescheitert. Der Senat hat alle Warnungen vor den ökologischen Risiken in den Wind geschlagen. (...) Der Bürgermeister sollte sich überlegen, ob er bei dem Thema weiter mit dem Kopf durch die Wand will oder ob er nicht besser das Gespräch mit den Verbänden suchen will. Auch der SPD muss klar sein, dass eine Hafenentwicklung nur im Einklang mit dem Naturschutz geschehen kann.“

FDP: Schwerer Schaden zugefügt

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Thomas-Sönke Kluth: „Die Naturschutzverbände BUND und Nabu fügen Hamburg damit schweren Schaden zu. Denn die Eilanträge, denen das Bundesverwaltungsgericht heute stattgegeben hat, führen zu einer weiteren Verzögerung der Elbvertiefung. Das ist ein schwerer Rückschlag für die Unternehmen der Hamburger Hafenwirtschaft und ihre Beschäftigten. (...) Wer wie die Umweltverbände Wirtschaftsfeindlichkeit als Geschäftsmodell betreibt, ist kein verlässlicher Partner für wichtige Verkehrs- und Infrastrukturprojekte. Unsere Hoffnungen sind nun auf eine positive Entscheidung im Hauptsacheverfahren gerichtet.“

SPD hofft auf schnelles Hauptsacheverfahren

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Hansjörg Schmidt: „Diese vorläufige Entscheidung ist (...) keine Entscheidung in der Sache. Im Rahmen einer Abwägung wurde lediglich entschieden, dass mit einem sofortigen Baubeginn vollendete Tatsachen geschaffen worden wären. Klar ist aber auch, dass für die wirtschaftliche Entwicklung des Hafens ein sofortiger Baubeginn deutlich von Vorteil gewesen wäre. (...) Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner heutigen Entscheidung das öffentliche Interesse an einem raschen Baubeginn dieses Projekts betont hat, setzen wir darauf, dass das Hauptsacheverfahren jetzt auch schnell anberaumt wird. Verfahrensverzögerungen darf es nicht geben.“

Linke für „endgültige Einstellung”

Die umweltpolitische Sprecherin der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dora Heyenn: „Der Gerichtsentscheid bekräftigt noch einmal, dass eine Elbvertiefung eben mehr ist als nur eine Fahrrinnenanpassung. Die Gefahr, dass die Eingriffe in die Natur irreversibel sind und die wirtschaftliche Notwendigkeit für den Hafen durchaus angezweifelt werden kann, hat DIE LINKE von Anfang an gegen die erneute Elbvertiefung angeführt. (...) Wir werden die weitere Entwicklung sehr genau beobachten und hoffen, dass es zu einer endgültigen Einstellung des Projektes Elbvertiefung kommt.“