In dem Mordprozess um den gewaltsamen Tod der 16 Jahre alten Deutsch-Afghanin Morsal hat eine Sozialarbeiterin heute Morgen weitere Hintergründe zu der Familie des Opfers genannt. Darüber hinaus kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Anklage und Verteidigung. Bilder vom Prozess. Eindrücke von Morsal.

Die Soziologin hatte Morsal im Jahr 2006 kennen gelernt. "Sie fürchtete Ahmad und sie liebte ihn, er war ihr Vorbild." Ahmad-Sobair Obeidi (24) muss sich derzeit vor dem Landgericht wegen Mordes verantworten. Seine Freundin, eine Jurastudentin, und die Eltern verfolgten das Verfahren im Zuschauerraum. Er hatte seine Schwester am 15. Mai 2008 mit 23 Messerstichen getötet - laut Anklage, weil er mit ihrem westlichen Lebensstandard nicht einverstanden war.

Morsal war kurz vor der Bluttat in eine Jugendwohnung gezogen. Aus Angst vor ihrer Familie, die sie nach ihren Angaben drangsaliert und immer wieder verprügelt hatte. Die Sozialarbeiterin hatte engeren Kontakt zur Familie, war auch öfter bei ihr zuhause. Die Eltern hatten sich immer wieder Sorgen gemacht, weil Morsal bisweilen viel Geld bei sich gehabt hatte, verschiedene Handys und über Nacht auch schon mal wegblieb. Mit einem weiteren "Familienhelfer" des Jugendamtes habe man versucht, die Konflikte in der Familie Obeidi zu lösen, Kompromisse zu finden. So gab es zum Beispiel Überlegungen, einen Vertrag zwischen Morsal und ihren Eltern aufzusetzen, in dem festgeschrieben würde, was Morsal darf, und was nicht. Die Zeugin: "Aber keiner von den Beteiligten wollte das." Morsal habe immer gedacht, ihre Eltern würden sich ändern.

Unterdessen hat die psychatrische Gerichtsachverständige, Dr. Marianne Röhl, in einer Stellungnahme Vorwürfe zurückgewiesen, dass sie fachlich nicht geeignet sei. Staatsanwalt Boris Bochnick hatte am vergangenen Freitag einen Befangenheitsantrag gegen sie gestellt. Bochnick sagte nach Röhls Stellungnahme: "Das hat mich überhaupt nicht überzeugt. Ich halte sie für wissenschaftlich nicht vertretbar, dabei bleibe ich". Verteidiger Thomas Bliwier erneuerte seine Kritik, dass der Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft nur eine "taktische Retourkutsche" sei.

Zwischendurch kam es zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen Verteidiger und Ankläger. "Ich bin dran, lassen Sie mich ausreden", schrie einmal der Staatsanwalt, als Bliwier ihm ins Wort fiel. Bliwier konterte ein anderes Mal scharf. Wie könne Bochnick es mit seinen Berufspflichten verantworten, dass er den Befangenheitsantrag erst nach mehreren Verhandlungstagen gestellt habe, obwohl Bochnick sich zuvor schon kritisch zu dem Gutachten geäußert habe. Verteidiger Bliwier darauf polemisch: "Ich wäre sehr glücklich, wenn Ihre vorgesetzte Behörde uns den Gefallen tun würde, uns in diesem Verfahren nicht mit Ihrer Anwesenheit zu belasten."


Verteidigung hält Gutachter für befangen


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Die Brisanz in dem Streit um die Gutachter: Die Sachverständige Röhl, die vom Gericht bestellt wurde, geht von verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagten aus, was für ihn im Strafmaß günstiger sein würde. Ein weiterer psychatrischer Gutachter, der Obeidi für voll schuldfähig hält, war am Freitag vom Gericht für befangen erklärt worden und aus dem Verfahren ausgeschieden. Sollte nun auch noch die im Prozess alleinverbleibende Gutachterin Röhl als befangen ausscheiden, müsste ein ganz neuer Gutachter bestellt werden - das könnte dauern und das Verfahren müsste dann unter Umständen völlig neu aufgerollt werden.

Alles weitere zum Morsal-Prozess finden Sie in unserem Dossier.