Die Branche der erneuerbaren Energien bildet einen eigenen Schwerpunkt. Die Wirtschaft in der Stadt blickt optimistisch nach vorn.

Hamburg. Stefan Heczko und Klaus Pötter haben den Schritt in die Selbstständigkeit nicht bereut. Im Jahr 2007 gründeten die beiden mit Unterstützung eines Finanzinvestors in Hamburg die Firma PowerWind. "Seither wächst unser Unternehmen stetig", sagt Heczko dem Abendblatt. 150 Mitarbeiter sind in Hamburg und in der Produktion in Bremerhaven beschäftigt, und damit etwa 20 mehr als vor Jahresfrist. Gut 110 Anlagen von PowerWind stehen bereits in zahlreichen Ländern dieser Welt. "Wir suchen noch ein gutes Dutzend weiterer Mitarbeiter, Ingenieure, Techniker, Vertriebs- und Kaufleute", sagt Heczko und blickt optimistisch in die Zukunft.

Jede dritte Hamburger Firma beurteilt Geschäftslage als gut

Nicht nur PowerWind ist positiv gestimmt. Nach einer Umfrage der Handelskammer Hamburg unter 738 Firmen der Stadt ist die Hamburger Wirtschaft im dritten Quartal 2010 zwar nur leicht gewachsen, hat aber seit dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 zum sechsten Mal in Folge zugelegt. Die gegenwärtige Geschäftslage beurteilt jedes dritte befragte Unternehmen als gut, nur jeder siebte Betrieb ist mit Umsatz, Ertrag und Auftragslage unzufrieden. Parallel dazu rechnet auch jede dritte Firma mit einer zukünftig eher günstigen Geschäftsentwicklung, nur 13,4 Prozent der Befragten erwartet eine Verschlechterung. Beim Thema Personalaufbau überwiegen laut der Kammer jene Firmen, die in den nächsten Monaten Mitarbeiter einstellen wollen. Die positive Tendenz wirkt sich auch auf die geplanten Investitionen der Hamburger Wirtschaft aus. 25,1 Prozent der Befragten wollen ihre Produktionskapazität ausweiten, je ein Drittel planen Rationalisierungsmaßnahmen oder Investitionen in Produktinnovationen. Gut neun Prozent der Hamburger Firmen will Geld in den Umweltschutz stecken.

DIE MÄR VOM GRÜNEN HAFEN

Neben der klassischen Wirtschaft profitiert die Stadt offenbar auch immer mehr von neuen, innovativen Branchen wie etwa den Unternehmen rund um die erneuerbaren Energien . Zwar sitzen bisher nur rund 100 der bundesweit etwa 30 000 Betriebe der Branche in Hamburg, "aber die Stadt hat viele große Unternehmenszentralen aus dem Bereich erneuerbare Energien", sagte Ronald Heinemann, Sprecher des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Unter anderem haben die Solaranbieter Conergy und Colexon ihren Hauptsitz in der Hansestadt sowie die Windkrafttöchter von Siemens, Vattenfall, General Electric, RWE sowie Repower, Vestas, Nordex und der US-amerikanische Konzern Broadwind Energy.

Allein die 25 größten Unternehmen der Branche beschäftigen nach Schätzungen um die 3000 Mitarbeiter in Hamburg. Den Firmen werden hervorragende Zukunftsaussichten bescheinigt. Nach einer Studie des Prognos-Instituts dürfte sich das bundesweite jährliche Investitionsvolumen in erneuerbare Energien von jetzt 13,5 Milliarden Euro im Jahr auf knapp 29 Milliarden Euro bis 2020 erhöhen. Gestern hat die Hamburger Branche mit der Gründung eines Clusters, also eines Vereins mit Netzwerkcharakter, einen weiteren Schritt unternommen, um ihre Wirtschaftskraft und Innovationsfähigkeit zu stärken. Die Wirtschaft hält 49 Prozent des Vereins, die Stadt 51 Prozent. "Hamburg hat bereits jetzt als Firmen- und Dienstleistungszentrum für erneuerbare Energien eine hervorragende Ausgangslage. Die Vereinsgründung wird dazu beitragen, diese Position international systematisch auszubauen", sagte Michael Westhagemann, Siemens-Chef für Norddeutschland und Vorsitzender des Vereins. "Durch einen intensiven Austausch in unserer Branche können neue Dienstleistungen und Produkte entstehen, andererseits können sich Kooperationen und Gemeinschaftsprojekte entwickeln, die die Position der Region stärken werden", so Michael Beckereit, Chef von Hamburg Energie und Vereinsvize.

Hamburg hat viele Firmenzentralen der Branche, aber kaum Produktion

"Hamburg ist als Verwaltungsstandort für erneuerbare Energien gut positioniert, aber für die Erzeugung eignet sich ein Stadtgebiet nicht", sagt Sebastian Schröer, Experte für regenerative Energie beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). "Nicht nur die norddeutschen Unternehmen, sondern auch die Politiker müssen künftig bei den regenerativen Energien enger zusammenarbeiten", so Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. "Davon würden alle norddeutschen Bundesländer profitieren." Im Offshore-Bereich, also bei Windanlagen auf hoher See, empfiehlt Schröer zudem eine Kooperation mit den Niederlanden und Dänemark. Für Schmidt-Trenz steht fest: "Der Bereich erneuerbare Energien könnte für Norddeutschland in den kommenden 20 bis 30 Jahren die gleiche Bedeutung erlangen wie die Luftfahrtindustrie."