Dass das britische Bruttoinlandsprodukt sinken würde, hatte keiner erwartet. Nicht nur den Märkten versetzte die Nachricht einen Schock.

London. Statt des erwarteten Wachstums von mindestens 0,4 Prozent ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal 2010 um ein halbes Prozent zurück, wie die Statistikbehörde ONS in London mitteilte.

Grund war unter anderem der strenge Winter, der vor Weihnachten zu Ausfällen im Baugewerbe, im Einzelhandel und im öffentlichen Personenverkehr führte. Ohne diesen Effekt wäre das BIP laut ONS vermutlich stabil geblieben.

Die Dienstleistungssektor war den Angaben zufolge um 0,5 Prozent rückläufig, das Baugewerbe brach um 3,3 Prozent ein. Ein Lichtblick war dagegen die verarbeitende Industrie mit einem Wachstum von 0,9 Prozent. Der allgemeine Rückgang folgte auf vier Quartale der wirtschaftlichen Erholung, darunter ein Wachstum um 0,7 Prozent im dritten Quartal.

Analysten reagierten mit Entsetzen auf die Konjunkturdaten. Der Europa-Chefvolkswirt von Capital Economics, Jonathan Loynes, sprach von einem „schockierend schlechten“ Ergebnis. Die Zahlen weckten „ernsthafte Sorgen, ob die Wirtschaft stark genug ist, um der bevorstehenden Verschärfung der Finanzlage standzuhalten“.

Graeme Lech, leitender Ökonom des Wirtschaftsverbands Institute of Directors, sagte, der Trend verstärke die Zweifel an den Sparplänen der Regierung. „Wir müssen uns warm anziehen“, sagte er. Die Erwartung eines Wachstums von 1,3 Prozent 2011 müsse nun nach unten korrigiert werden, und die Bank of England werde unter erhöhtem Druck stehen, wieder Geld in die Märkte zu pumpen. An der Londoner Börse fiel das Pfund unmittelbar nach Bekanntwerden der Konjunkturdaten von 1,5901 Dollar auf ein Tief von 1,5753 Dollar.

Der britische Schatzkanzler George Osborne sagte, die Regierung werde sich „durch schlechtes Wetter nicht vom Kurs abbringen lassen. (... ) Es steht nicht zur Debatte, einen international anerkannten Finanzplan zu ändern. Das würde Großbritannien wieder in eine Finanzkrise stürzen.“