Allein im dritten Quartal zählte die Polizei 377 Straftaten aus dem linksextremen Spektrum. Jetzt wollen Hamburg und Berlin zusammenarbeiten.
Hamburg. Die Zahlen sind besorgnisserregend. Einem Bericht der Zeitung "Die Welt" zufolge nahm die Zahl der Gewalttaten aus dem linksextremen Spektrum in Hamburg stark zu. Die politisch links motivierten Straftaten in der Hansestadt erreiche Rekordniveau, schreibt die Zeitung. Allein im dritten Quartal dieses Jahres gab es in Hamburg 377 linke Strafdelikte. 2008 waren es mit 205 Straftaten sehr viel weniger. Eine ähnliche Entwicklung sei auch auf der Bundesebene zu erkennen.
In den vergangenen Wochen hatte es in Hamburg und Berlin vor allem Brandanschläge auf Autos gegeben. Zudem hatte in Hamburg Mitte Dezember eine Gruppe von zehn bis 15 Vermummten vermutlich aus der autonomen Szene das Polizeikommissariat (PK) 16 an der Lerchenstraße unweit des Schanzenviertels angegriffen. Die Täter versuchten, die Eingangstür zu verriegeln und die Wache anzuzünden. Beamte wurden mit Steinen beworfen, zwei Streifenwagen gingen in Flammen auf, ein weiterer wurde durch "Krähenfüße" beschädigt.
Angesichts dieser Gewalt wollen Hamburg und Berlin jetzt gemeinsam gegen Linksextremisten vorgehen. Das kündigten Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und sein Hamburger Amtskollege Christoph Ahlhaus (CDU) in der „Welt am Sonntag“ und in der „Berliner Morgenpost“ (Sonntag) an. Zunächst sollten beide Landeskriminalämter ein gemeinsames Lagebild erstellen, schreiben die beiden Zeitungen. Auf dieser Grundlage wolle man dann verstärkt politisch motivierte Brandstiftungen sowie die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten bekämpfen.
In Berlin wurden in diesem Jahr bereits fast 300 Autos durch Brandanschläge beschädigt. In Hamburg sind nach Angaben von Ahlhaus mehr als 200 Fahrzeuge betroffen. Dennoch warnte der CDU- Politiker vor einer Dramatisierung. „Wir wollen nichts beschönigen, aber No-go-Areas gibt es nicht. Angesichts von mehr als 700 000 zugelassenen Pkw in Hamburg kann man auch nicht von einem Massenphänomen sprechen“, sagte Ahlhaus der „Welt am Sonntag“.
Der CDU-Politiker Ahlhaus geht allerdings davon aus, dass in Hamburg nur jeder fünfte Anschlag politisch motiviert ist. Während in Berlin vorwiegend Luxusautos angezündet werden, brenne in Hamburg „auch schon einmal ein Opel Kadett, Baujahr 1982“. In Berlin sieht Körting einen höheren Anteil von linksextremen Tätern: „Bei circa der Hälfte der Brände vermuten wir einen politischen Hintergrund.“ Doch extremistisch begründete Brände gebe es auch in Göttingen und anderswo. „In kleineren Städten funktioniert die gesellschaftliche und soziale Kontrolle besser“, sagte Körting.
Der SPD-Senator macht die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung mitverantwortlich für den wachsenden Extremismus. Viele Menschen hätten das Gefühl, dass es in der Gesellschaft nicht mehr gerecht zugehe, sagte er. „Die Bankenkrise hat gezeigt, dass die Schere zwischen Arm und Reich größer wurde. Und was da jetzt bei der Steuergesetzgebung von der Regierung geplant wird, ist Wasser auf die Mühlen des Extremismus.“
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) ergänzte in Berlin: „Soziale Ungerechtigkeit führt zu Demokratieverdruss. Demokratieverdruss wiederum ist ein Einfallstor für Rechtsextremisten.“ Ahlhaus sieht hingegen keinen Zusammenhang zwischen politischem Extremismus und der neuen Bundesregierung. „Eine gewaltbereite linksautonome Szene hat es immer gegeben – egal wer gerade die Regierung gestellt hat. Linksextremistische Gewalttäter scheren sich auch nicht um Rot-Rot oder Rot-Grün.“ Am Freitag hatte der Bundesrat das milliardenschwere Steuerpaket von CDU/CSU und FDP gebilligt. Kritiker bemängeln, von den Steuererleichterungen profitierten in erster Linie wohlhabende Familien.
Körting verteidigte erneut die Berliner Polizei gegen den Vorwurf der Untätigkeit. Wenn sich die Brandanschläge auf Autos in bestimmten Straßenzügen häuften, könnte man nach geltender Rechtslage eine temporäre Videoüberwachung anordnen. „Das ist aber nicht der Fall. Eine Videoüberwachung von 5000 Kilometer Straßenland wäre absurd. Die Polizei könnte die Fülle der Informationen gar nicht auswerten.“