Erfolg für Jungblut und seine Crew: Überraschend rückt die Reederei vom Flaggenwechsel ab. Sie hofft auf Unterstützung der Regierung.
Neustadt/London/Hamburg. Aufatmen bei „Traumschiff“-Fans: Die MS „Deutschland“ wird nun doch nicht ausgeflaggt, sondern fährt weiter unter deutscher Flagge. Nach den emotionalen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage habe sich die Reederei am Montag entschlossen, von dem geplanten Flaggenwechsel abzusehen, sagte Reedereisprecherin Kornelia Kneissl. Die „Deutschland“ – Millionen TV-Zuschauern aus der ZDF-Serie „Das Traumschiff“ bekannt – liegt derzeit als Hotelschiff für Olympia-Besucher und Prominente in London. Vor allem der Kapitän des Schiffes, Andreas Jungblut, hatte sich vehement gegen den Flaggenwechsel ausgesprochen und dadurch eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Reederei riskiert. Ursprünglich hatten die Schiffseigner geplant, das einzige noch unter deutscher Flagge fahrende Kreuzfahrtschiff in Malta registrieren zu lassen. Am Wochenende hatten Meldungen für Aufregung gesorgt, Jungblut sei vom Eigner von Bord gejagt worden. Die Reederei dementierte. Nun scheint der Streit beigelegt.
+++Die "MS Deutschland"+++
"Die Entscheidung ist endgültig, der Wechsel ist nicht nur vorübergehend aufgeschoben und dem Eindruck der öffentlichen Reaktionen“, sagte Kneissl. „Bild online“ hatte am Montag zuerst über den Gesinnungswechsel der Reederei berichtet. Noch am gestrigen Sonntag hieß es in einem offenen Brief der Reederei: "Es ist überlebenswichtig, mit ähnlichen Rahmenfaktoren wie die Schiffe anderer deutschter Kreuzfahrtreedereien arbeiten zu können, die alle seit vielen Jahren unter einer nicht-deutschen Flagge fahren." Zudem seien Fördermittel reduziert worden, daher sei ein Verbleiben in der deutschen Flagge "nicht länger finanzierbar".
Dass die Reederei nun innerhalb eines Tages ihre Aussagen revidierte, ist offenbar auf die öffentliche Empörung zurück zu führen. Diese wurde insbesondere dadurch ausgelöst, dass sich Kapitan Jungblut, wortstark für den Verbleib unter deutscher Flagge einsetzte. „Das ist so, als würde man das Brandenburger Tor an die Chinesen verkaufen", empörte er sich gegenüber den Medien. Die "Deutschland" sei immer mit Gewinn gefahren, sagte Jungblut der "Bild"-Zeitung. Deshalb sei eine Ausflaggung unnötig. "Man muss einfach nur ein guter Reeder sein, um Gewinne mit so einem herrlichen Schiff einzufahren."
+++Besatzungen: Weniger Lohn unter Billigflagge+++
Auch von politischer Seite wurde die Entscheidung der Reederei kritisiert und der Mannschaft und dem Kapitän viel Sympathie und Verständnis entgegen gebracht. So hatte der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirschaftsministerium und Koordinator der Bundesregierung für maritime Wirschaft, Hans-Joachim Otto (FDP), bereits am Freitag bei Facebook gepostet, dass er es schwer nachvollziehbar finde, was mit der MS "Deutschland" geschehe. Weiter schrieb er: "Die Reederei und der Eigentümer scheinen ihren inneren Kompass verloren zu haben." Auch vom Bundespräsidialamt kam Verständnis für die Befürchtungen der Mannschaft. Bundespräsident Joachim Gauck war am Wochenende zum Olympia-Empfang auf das Schiff gekommen, das zur Zeit in London vor Anker liegt. Der Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt der Gewerkschaft Verdi, Karl-Heinz Biesold, berichtete gegenüber abendblatt.de auch von einem vertraulichen Gespräch zwischen Kapitän Jungblut und dem Bundespräsidenten.
+++"MS Deutschland": Kritik an drohender Ausflaggung+++
Die Reederei Deilmann hofft jetzt auf die Unterstützung all jener, die sich in den vergangenen Tagen so nachdrücklich für die deutsche Flagge eingesetzt hat, hieß es von dem Geschäftsführer Konstantin Bissias. So setze das Unternehmen darauf, dass Hans-Joachim Otto, eine in Aussicht gestellte deutliche Erhöhung der Flaggenförderung tatsächlich umsetze. Die geplante Kürzung der Fördermittel für die Schifffahrt durch die Bundesregierung um mindestens 80 Prozent war laut Reederei der Hauptgrund für die geplante Ausflaggung gewesen.
Mit der Abkehr vom Flaggenwechsel soll damit auch der Eklat zwischen den Schiffseignern und Kapitän Jungblut beigelegt worden sein. „Wir setzen darauf, dass unsere Kapitäne Andreas Jungblut und Andreas Greulich, auch weiterhin unser Traumschiff sicher über die Meere führen“, sagte Bissias.
+++Proteste gegen Ausflaggung des Traumschiffs+++
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di begrüßte die Entscheidung, das traditionsreiche Kreuzfahrtschiff nicht auszuflaggen. "Ohne das klare Signal der Besatzung und ihres Kapitäns, für Arbeitsbedingungen und Löhne kämpfen zu wollen, wäre dieses Ergebnis nicht zustande gekommen", sagte der Schifffahrtsexperte der Gewerkschaft, Karl-Heinz Biesold. Damit zukünftig wieder mehr Schiffe unter deutscher Flagge fahren könnten, sei aber ein grundsätzliches Umdenken in der Politik erforderlich. "Steuerliche Erleichterungen wie die Tonnagesteuer sollten ausschließlich an die deutsche und nicht an die europäische Flagge gebunden sein", so Biesold. Nur durch die falsche europäische Regelung sei Deilmann überhaupt auf die Idee gekommen, die "Deutschland" in Malta registrieren zu lassen.
Eigentlich sollte die MS "Deutschland" schon diesen Monat ausgeflaggt werden. Doch die Reederei entschied sich, die Spiele in London abzuwarten. Kapitän Andreas Jungblut und die Besatzung setzten sich dagegen aber immens zur Wehr. Mit Erfolg - wie sich jetzt herausstellte. Denn pünktlich zu Olympia in London fanden die Proteste gewaltig Gehör. Gerade weil der als "Traumschiff" bekannt gewordenen Kreuzfahrer das offizielle "deutsche Schiff London 2012" ist. Drei Tage nach der Abschlussfeier im Londoner Olympiastadion sollen die Athleten am 15. August mit der MS "Deutschland" in den Hamburger Hafen einlaufen und dort von den Fans in der HafenCity begrüßt werden (siehe Karte unten).
Derzeit fahren nur 440 der etwa 4100 deutschen Seeschiffe unter deutscher Flagge. Ein großer Teil der Welthandelsflotte ist in Ländern wie Panama, Liberia, den Marschallinseln oder den Bahamas registriert.
(Mit Material von dpa)
Auf der interaktiven Karte können Sie die Route der Sportler auf der "MS Deutschland" und den weiteren Ablauf im Hamburger Hafen verfolgen.