Barschels Tod wurde Mythos, weil die Justiz versagt hat
Vor Legendenbildung sei gewarnt: Uwe Barschel ist nicht das Opfer einer Verschwörung geworden. Es gab im Herbst des Jahres 1987 keine Alternative zu seinem Rücktritt als Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Auch wenn seine Verstrickung in die Machenschaften des Medienreferenten Reiner Pfeiffer damals deutlich geringer war als anfangs angenommen, Barschel trug die politische Verantwortung dafür, dass aus seiner Staatskanzlei heraus der Versuch unternommen wurde, den gegnerischen Spitzenkandidaten Björn Engholm zu drangsalieren, ihn zu verleumden. Und Barschel hat über eigenes Wissen gelogen und Mitarbeiter zu Lügen angestiftet. Er war schon lange kein Ehrenmann mehr, als er der deutschen Öffentlichkeit spektakulär sein Ehrenwort gab.
In den ersten Jahren nach seinem Tod in Genf hatten SPD und CDU in Schleswig-Holstein gleichermaßen ein Interesse daran, zum Alltag zurückzukehren. Erst das unsägliche Versagen der Justiz in der Schweiz wie in Deutschland hat dann den Nährboden geschaffen dafür, dass Waterkantgate zur unendlichen Geschichte werden konnte. Auf deutsche Verhältnisse übertragen hat das eine Qualität wie die immer neuen und immer absurderen Verschwörungstheorien, die sich um das Attentat auf den US-Präsidenten John F. Kennedy ranken.
Dass die jetzt gefundenen genetischen Spuren einer zweiten Person auf Barschels Kleidungsstücken vom Abend seines Todes das Szenario grundlegend ändern, ist nicht zu erwarten. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Spuren konkret einer Person zugeordnet werden können. Ob Mord oder assistierter Selbstmord - es bleibt absehbar dabei: Die eine Fraktion wird auf Mord pochen und die andere auf Selbstmord - eine Frage des Glaubens mehr als des Wissens.
Bei der Trauerfeier für Barschel im Dom der Stadt hat der Lübecker Bischof Ulrich Wilckens am 27. Oktober 1987 wohl geahnt, wie es weitergehen würde. Er wandte sich damals direkt an die vier Kinder und versicherte ihnen: "Die Ehre eures Vaters liegt in Gottes Hand, da und nur da ist sie unantastbar."