Nach 25 Jahren fremde DNA entdeckt. Politiker war vor dem Tod offenbar nicht allein
Kiel/Hamburg. In einem der mysteriösesten Todesfälle der deutschen Nachkriegspolitik gibt es eine neue Spur. Knapp ein Vierteljahrhundert nach dem angeblichen Selbstmord von Uwe Barschel in einem Genfer Hotelzimmer entdeckte das Kieler Landeskriminalamt DNA-Spuren, die darauf hindeuten könnten, dass der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident unmittelbar vor seinem Tod nicht allein war.
Barschel war am 11. Oktober 1987 in seinem Zimmer im Luxushotel Beau Rivage tot in der Badewanne gefunden worden. Kurz zuvor war der CDU-Politiker als Regierungschef in Kiel zurückgetreten, weil er beschuldigt wurde, eine Verleumdungskampagne seines Medienreferenten Reiner Pfeiffer gegen den SPD-Herausforderer Björn Engholm veranlasst zu haben. Viele glaubten deshalb an einen Suizid. Aber auch ein Mord wurde nicht ausgeschlossen.
Bei neuen Untersuchungen der Kleidung Barschels fanden die LKA-Spezialisten nun den "genetischen Fingerabdruck" eines Unbekannten. Nach Angaben des früheren CDU-Landtagsabgeordneten Werner Kalinka wurde die fremde DNA auf der Strickjacke, den Socken und der Krawatte Barschels sichergestellt. Auch auf einem Hotelhandtuch seien Spuren entdeckt worden, sagte Kalinka. Die Funde erhärteten den Verdacht, dass Barschel ermordet worden sei.
Kalinka, der sich seit Jahren mit dem Fall Barschel beschäftigt, hatte die neue Untersuchung angeregt. Er forderte die Staatsanwaltschaft Lübeck auf, die 1998 eingestellten Ermittlungen wieder aufzunehmen. Die Justiz hatte in ihrem Abschlussbericht erklärt, es gebe aktuell keine Perspektive für weitere Untersuchungen - diese könnten bei neuen Hinweisen aber jederzeit wieder aufgenommen werden.
Barschel hatte damals seiner Familie gesagt, er wolle in Genf einen Informanten treffen, der ihn über die Hintergründe der Verleumdungsvorwürfe aufklären wolle. Tatsächlich erwiesen sich später große Teile der Verdächtigungen als unzutreffend. Spekuliert wurde deshalb, dass Barschel möglicherweise in Genf in eine Falle gelockt werden sollte. Auch eine Verwicklung von Geheimdiensten galt als nicht ausgeschlossen. Die Ermittler fanden dafür jedoch keine Anhaltspunkte.
Die Lübecker Anklagebehörde lehnte am Wochenende eine Neuaufnahme des Verfahrens zunächst ab. "Die Untersuchungsergebnisse bieten keine zureichenden Anhaltspunkte, die es erlaubten, eine Linie zu eventuell tatverdächtigen Personen zu ziehen", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Thomas-Michael Hoffmann der "Welt am Sonntag". "Prozessrechtlich können wir beim gegenwärtigen Stand der Dinge nichts weiter unternehmen."
Dem Bericht zufolge sind die DNA-Spuren nicht detailliert genug, um das Geschlecht der unbekannten Person festzustellen. Auch ein Abgleich in der BKA-Datenbank für genetische Fingerabdrücke sei nicht möglich. Die Spuren reichten aber aus, um sie mit Genmaterial Verdächtiger zu vergleichen.
Bei der Aufarbeitung des Falls Barschel hatte es immer wieder Pannen und Versäumnisse gegeben. Noch 2011 hatte Barschels Witwe Freya Strafanzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gestellt, weil bei der Staatsanwaltschaft Lübeck ein fremdes Haar aus Barschels Genfer Hotelbett verschwunden war.