Bunt kostümiert und ausgelassen feierten Hunderttausende in Hamburg wieder das große Spektakel. Nur wenige kamen ohne Verkleidung.
Hamburg. Längst gilt der Schlagermove als so etwas wie der Karneval des Nordens: Dass so mancher die eingeladenen Schlagersänger kaum noch kennt, ist dabei völlig egal.
Schräg, schrill, Schlagermove: Bei Deutschlands größter Schlagerkarawane haben in Hamburg eine halbe Million Menschen eine knallig bunte Gute-Laune-Party gefeiert. Zum 16. Mal zog der Schlagermove durch die Straßen und machte die Hansestadt zum Schauplatz für das als Karneval des Nordens bekannte Spektakel. Ob mit riesigen Sonnenbrillen, verrückten Perücken und Schlaghosen oder gleich im Faschingskostüm – nur wenige Besucher kamen ohne Verkleidung. 45 Musiktrucks bahnten sich fünf Stunden lang ihren Weg durch die Massen und drehten ihre Runde vorbei an Landungsbrücken, Fischmarkt und Reeperbahn. Nach einem sonnigen Start setzten zwar Regen und sogar Gewitter ein, die Schlagerlaune konnte das aber nicht trüben: Bis zum Schluss blieb es friedlich.
Dabei konnten sich Besucher und Veranstalter zunächst noch über das Wetter freuen: Nach der komplett verregneten Schlagersause des Vorjahres, als trotzdem 350 000 kamen und Schlagerikone Jürgen Drews klatschnass für Stimmung sorgte, schien alles anders zu werden. Diesmal hatten die Fans die Sonne nicht nur im Herzen – sie schien sogar vom Himmel, als am Nachmittag der erste Wagen losrollte. Bereits eine Stunde nach Beginn schätzte die Polizei die Zahl der Besucher auf 500.000. Auch die Veranstalter rechneten mit einem solchen Ansturm. „So voll war es zum Start noch nie“, sagte Sprecher Axel Annink. Dass es dann doch zu regnen und donnern anfing, verdarb zwar nicht allen die gute Laune, aber doch so manchem.
„Viele suchten nur vorübergehend Zuflucht und kamen dann wieder“, meinte Sprecher Annink. Außerdem hatten sich Schlagermove-Kenner gegen erneutes Schietwetter gewappnet. „Das regnet bestimmt noch. Das ist immer so“, sagte die 19-jährige Annika Metzmann schon, als noch die Sonne schien. Sie kam mit ihrer gleichaltrigen Freundin Isabell Srugies zur Parade. Die beiden Hamburgerinnen waren keine Neulinge beim Schlagermove, aber auch keine Schlagerfans. Namen wie die von Bata Illic („Michaela“) oder Gottlieb Wendehals („Polonäse Blankenese“), die als Stargäste eingeladen worden waren, sagten ihnen zwar noch etwas. „Aber die Musik hören wir sonst nicht, wir sind hier wegen der Stimmung“, meinten die beiden jungen Frauen.
Das sei einfach Gute-Laune-Musik, sagten auch die beiden Schwestern Sina (25) und Alina (21) aus Hamburg. „Die Stimmung ist wieder der Hammer!“. Zu den Unkostümierten, die eindeutig in der Minderheit waren, gehörten Nadine und Mark aus Hannover, die eigentlich nur auf Hamburg-Besuch waren. „Aber die machen ja ganz gut Party hier“, bescheinigten sie den Hanseaten, unter die sich aber ohnehin auch viele Touristen gemischt hatten. Wie etwa die beiden echten Karnevalsexpertinnen aus Nordrhein-Westfalen, Barbara Fiethz und Annette Pape, die extra zum Move angereist waren: „Die Hamburger können definitiv mithalten.“
+++ Ein teures Festival der Liebe für Stefan Bornhöft +++
Ob „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, „Ein Bett im Kornfeld“ oder „Du kannst nicht immer 17 sein“ – von allen Wagen dröhnte stundenlang ein Schlager nach dem anderen. Solange noch die Sonne schien, regnete es Seifenblasen und Konfetti. Erst rund fünf Stunden nach dem Start erreichte der letzte Musiktruck das Ziel. „Bis zum Schluss blieb alles friedlich“, berichteten sowohl die Polizei als auch die Veranstalter. Größere Zwischenfälle gab es nicht, nur kleinere Schnittverletzungen, Platzwunden oder Hilfe bei übermäßigem Alkoholkonsum. Laut Schlagermove-Sprecher Annink berichteten die Johanniter von 250 Hilfeleistungen und 70 Transporten. Aber ebenso wie die Polizei betonte er, dass dies angesichts von 500 000 Besuchern wirklich wenig sei.
Für das „Festival der Liebe“ war nach dem Umzug noch lange nicht Schluss: Auf dem Heiligengeistfeld stieg wieder die traditionelle Aftermove-Party. Und auch im nächsten Jahr soll in Hamburg wieder ordentlich „Hossa, Hossa, Hossa!“ gerufen werden: Die nächste große Parade ist für den 29. Juni 2013 geplant. Wenn die Erhöhung der Gema-Gebühren bei Großveranstaltungen den Organisatoren keinen Strich durch die Rechnung macht: „Bei einer saftigen Erhöhung der Gebühren wäre der Schlagermove gefährdet“, meinte Annink über die Veranstaltung, die es seit 1997 in der Hansestadt gibt. Mit 50 000 Besuchern hatte der Schlagermove damals begonnen – rund 600 000 sollen es im Jahr 2008 gewesen sein