Auch der neue Bluttest auf Downsyndrom verhilft nicht zum perfekten Nachwuchs
Die Möglichkeiten der Pränatal-Diagnostik sind Segen und Fluch zugleich. Ein Segen, weil die Diagnoseverfahren beispielsweise schwere Herzfehler oder Stoffwechselstörungen rechtzeitig erkennbar machen; viele Babys können behandelt werden und überleben. Ein Fluch sind die ständig weiterentwickelten und verfeinerten Methoden, weil sie über das Normalste auf der Welt - Schwangerschaft und Geburt - eine Glocke medizinischer Kontrolle stülpen. Die Schwangerschaft wird nicht zu einer Zeit der Vorfreude, sondern zur Phase der Ungewissheit und Zukunftssorge. Die Schwangere, die alle Kraft braucht, um sich auf ein Leben mit Kind einzustimmen, wird eingekeilt zwischen Fristen, Risikoabschätzungen und Gefahren.
Der neue Bluttest zur Feststellung einer Trisomie im Erbgut des Fötus, der demnächst auf den Markt kommen soll, verändert nichts an diesem Trend. Immerhin ist er aber ein Fortschritt im Vergleich zu invasiven Verfahren wie der Plazenta- und der Fruchtwasser-Punktion (Amniozentese), weil er das Kind in der Gebärmutter nicht antastet.
Untersucht werden bei diesem Test kindliche Gen-Schnipsel im Blut der Mutter. Bei Fruchtwasser- und Plazenta-Punktionen werden Nadeln durch die Bauchdecke oder Katheter durch den Muttermund geführt, um Gewebe zu entnehmen; das ist ein deutlich gefühltes Eindringen in den geschützten Raum der Bauchhöhle, das von der Natur ja gerade nicht vorgesehen ist. Das Risiko einer Fehlgeburt danach ist mit 0,5 bis ein Prozent relativ hoch. Und die Methoden sind nicht einmal fehlerfrei. Der neue Bluttest hat bei 522 Risikoschwangeren immerhin 100-prozentig richtige Ergebnisse erbracht.
Diskussionswürdig ist also weniger der Bluttest selbst als vielmehr unser Umgang damit. Der Test zielt ausschließlich auf die Erkennung der Trisomie, des Downsyndroms, und nicht auf andere Anomalien oder Erkrankungen des Kindes. Damit ebnet er noch nicht einer "routinemäßigen Selektion" von Behinderten mit Downsyndrom den Weg, wie die Vizevorsitzenden der CDU-Bundestagsfraktion warnen.
Aber man darf auch nicht die Augen davor verschließen, dass jeder bessere und verfeinerte Test die Entscheidungsfindung von Eltern verkompliziert. Fluch und Segen zugleich - der Test liefert mehr Informationen. Er ist aber auch eine Einladung zu mehr Spekulation: Wie schwer das Kind beeinträchtigt sein könnte; wie es sein wird, mit diesem Kind zu leben; ob die Beziehung es aushält; ob es Hilfe geben wird; vor allem ob man eine Spätabtreibung verkraften würde. Der Test nötigt zu Entscheidungen, die selbst weise, lebenserfahrene Menschen überfordern würden.
Der Freiheit , dass wir heute Zeitpunkt und Zahl der Geburten bestimmen können, stehen immer mehr Bedingungen gegenüber. Um sich erst beruflich abzusichern, warten Paare mit dem ersten Kind bis weit jenseits der 30. Dann kann von einem frei gewählten "Wann" schon keine Rede mehr sein kann, eher von einem "Ob überhaupt". Und für das eine, einzige Kind, für diese ersehnte Familienphase, soll dann alles perfekt sein. Möglichst sogar das Kind selbst. Vorsorge und Risikovermeidung werden da wichtiger als die Erstausstattung fürs Baby. Unter diesen Vorzeichen werden aus Schwangeren ganz schnell "Patientinnen", ab 35 Jahren sogar "Risikoschwangere".
Aber Risiko lässt sich nicht ausschalten. Was ist denn, wenn ein gesundes Kind nach einem Unfall oder einer Virusinfektion fürs Leben geschädigt bleibt? Und sind umgekehrt nicht gerade Kinder mit Downsyndrom in ihren Familien oft Bereicherung und Sonnenschein? Reproduktion ist ein Menschenrecht. Wir sollten sie nicht ins Zwangskorsett der Perfektion sperren.