Bundespräsident Wulff bringt ein Sprecheropfer - fraglich bleibt, ob ihn das rettet
Beim Schach gibt es das Bauernopfer - ein Spieler opfert seinen Bauern mit dem Ziel, einen Vorteil zu gewinnen. Die Politik ist dem Schach eng verwandt, nicht umsonst lassen sich große oder gernegroße Strategen mit Vorliebe am Schachbrett ablichten. Allerdings gibt es in der Politik keine Bauern, sondern nur Mitarbeiter, Staatssekretäre oder Sprecher. Sie werden als Erste vom Hof gejagt, wenn ein Spieler in Bedrängnis gerät.
Wie groß die Bedrängnis des Bundespräsidenten sein muss, zeigt sein Sprecheropfer von gestern. Christian Wulff (CDU) trennt sich von seinem langjährigen Sprecher Olaf Glaeseker. Die Worte, die er in seiner kurzen Ansprache wählte, klangen nach Rauswurf. Nach dem Eingeständnis seiner persönlichen Versäumnisse kam er auf Glaeseker und sagte, "ich bedaure, dass ich mich von ihm trennen musste". Das klang eher wie die Konsequenz aus der fehlerhaften Beratung in der Affäre, die inzwischen ein unappetitlicher Affärensumpf aus Vorteilsnahme, Unbedarftheit und Hoffart ist. Fakt ist: Wulff hat in der Aufarbeitung der Affäre kaum einen Fehler ausgelassen: Er hat zu spät reagiert und die Wahrheit nur so zögerlich wie bruchstückhaft preisgegeben, er war nicht Treiber der Aufklärung, sondern ein Getriebener der Medien. Glaeseker, der stets mehr als ein Sprecher war, hat ihn schlecht beraten - oder seinen Chef nicht mehr erreicht. Sein Frühwarnsystem, das bei früheren Skandälchen bestens funktioniert hatte, verlor in den vergangenen Tagen seine Wirkung.
Um den Druck, der auf ihm lastete, zu mildern, sah sich der Präsident offenbar zum Handeln gezwungen. Endlich hat sich der CDU-Politiker entschuldigt. Und die Offenlegung seiner Kreditkonditionen könnte ihn sogar entlasten.
Doch ein Befreiungsschlag ist dieses Opfer für Wulff nicht. Dazu ist es zu durchsichtig. Weder war es Glaeseker, der ihm zur Annahme der Vergünstigungen und Einladungen riet, noch profitierte er davon. Das war allein das Ehepaar Wulff. Es spricht sogar einiges dafür, dass Glaeseker zuletzt den Bundespräsidenten nicht mehr so erreichte, wie es in den Jahren zuvor der Fall war.
Zwölf Jahre arbeiteten Wulff und Glaeseker zusammen, Wulff sprach gar von seinem "siamesischen Zwilling". Glaeseker war der Sprecher, der Freund, der Strippenzieher, der Imagemacher. Er orchestrierte den Wandel des braven Provinzpolitikers zum machtvollen Ministerpräsidenten, er half mit, den Rechtsanwalt aus Osnabrück zum ersten Mann im Staate zu machen. Glaeseker war für Wulff so unverzichtbar, dass er ihn aus der Staatskanzlei in Hannover mit ins Bundespräsidialamt nahm.
Wie beim Schach darf man im politischen Geschäft keine Dankbarkeit erwarten. Ein zu durchsichtiger Zug aber bringt nicht weiter. Entscheidend wird für Wulff sein, was noch an die Öffentlichkeit dringt, ob neue Fakten die Situation verschärfen oder weitere Affärchen das Fass zum Überlaufen bringen. Die Ruhe der Weihnachtstage könnte Wulff nun helfen. Nicht mehr helfen wird ihm sein engster politischer Wegbegleiter Glaeseker. Einfacher ist es für Wulff ohne ihn nicht geworden.