Aus dem Senatsplan, der Hansestadt mit “Floating Homes“ den Charme der Amsterdamer Grachten zu geben, wurde bislang nur sehr wenig.
Hamburg. Mehr als 1000 Hausboote sollten es nach einem Senatsplan einmal werden in Hamburg - der Stadt am Wasser, die mehr Brücken als Venedig ihr Eigen nennt. Idyllisches Wohnen auf Kanälen, Wasserläufen und ehemaligen Hafenbecken mit einem heimeligen Charme, wie ihn Tausende von Booten in den Grachten von Amsterdam verbreiten. Eine Idee, die vor sieben Jahren bei den Hausboot-Freunden viel Euphorie auslöste.
Doch bisher weht nicht mal ein Hauch von Amsterdam durch unsere Stadt. Im Bezirk Mitte, der im Mai 2004 mit dem Projekt startete, liegen heute gerade mal zwei Hausboote. Und in diesen beiden Booten auf der Bille leben auch keine Menschen. Sie werden gewerblich genutzt, wie Wolfgang Vocilka, der "Hausbootlotse" im Bezirksamt Mitte, dem Abendblatt erklärt. Immerhin nutze auf einem der Hausboote ein Musiker einen Übungsraum.
Und: Immerhin habe der Bezirk jetzt - verflixte sieben Jahre nach dem mit großen Worten angekündigten "Wohnen auf dem Wasser" - 22 Genehmigungen "in Arbeit". Dazu hat der Bezirk Mitte jetzt wieder einen schicken, bunten Prospekt erarbeitet, in dem man die zukünftigen "Floating Homes" in Gestalt eckiger Glaskästen erkennen kann. Doch auch fast alle dieser schwimmenden Häuser dienen nicht dem Wohnen, sondern dem Repräsentieren. Mit ihrer Hilfe wollen Architekten - man ahnt es - Schwimmhäuser vermarkten.
+++ Den Bürger nicht an Bord geholt +++
+++ Exklusives Wohnen: Hausboote verheißen Romantik +++
+++ Ein Hausboot ist ein Boot und kein Haus +++
Ähnliche Schwimmhäuser liegen am Eilbekkanal: schick, eckig und meist bewirtschaftet von Architekten oder Firmen. Mit sechs- bis siebenstelligen Kaufpreisen. Doch solch schwindelerregende Summen haben Hamburgs Hausbootpleite nicht allein verursacht. Schließlich seien auch einige "Homes" für weniger als 500 000 Euro zu haben, wie der Hausbootlotse betont.
Schuld seinen die "Erschließungskosten", sagt Wolfgang Vocilka.
Bei diesen sei es eben nicht wie bei einem landgebundenen Haus, das man schlüsselfertig kauft, dann bezieht und sich wohlfühlt. 70 000 bis 120 000 Euro kostet es, ein Hausboot mit Stromzugang, Abwasserentsorgung, Stegen und den nötigen Befestigungsanlagen am Ufer zu versehen. Wenn man einen Liegeplatz bekommt.
Doch bevor man den Platz erhält, muss jeder Hausbootfreund ein Verfahren selber in die Wege leiten, das der Bezirk Mitte in einem 41-seitigen "Genehmigungsleitfaden" auflistet. Dieses Verfahren schreckt nicht zuletzt duch eine extrem bürokratische Anmutung ab. So braucht der Antragsteller eine "faunistische" Kartierung über Muscheln und Vögel, ein Artenschutzgutachten, einen Nachweis der Arbeitsabläufe, den Beweis, dass keine "Kampfmittel" (Bomben) unter dem Hausboot liegen, sowie die Erlaubnis des Grundeigentümers und der Nachbarn, die Ufergrundstücke zu betreten und die Versorgungsanlagen dort zu installieren. 38 Punkte umfasst die Liste. Wenn die abgehakt sind, kann der zukünftige Kapitän eines "Liegers" zur Bank gehen und wird dort feststellen, wie schwierig es ist, Hypotheken zu erlangen, wenn man nur eine "Handbreit Wasser unterm Kiel" und kein Grundstück besitzt.
"Und was ist, wenn der Grundseigentümer wechselt und die ganze Anlage nicht will?", fragt Jörg Zwintscher, der Hausboote baut, die eher an Blockhäuser denn an schicke Architekten-Modelle erinnern. Er sagt: "Der Genehmigungsleitfaden ist nichts anderes als ein Abwehrangebot. Es kann doch nicht wahr sein, dass ich in einem Artenschutzgutachten nachweisen muss, dass der Schlamm unter dem Boot durch die Beschattung nicht leidet."
Um diese bürokratische Mammutaufgabe der Genehmigung zu lösen, haben sich fünf Hamburger in einer Interessengemeinschaft zusammengetan. Sie haben sogar eine Gesellschaft dafür gegründet und wollen die Erschließung gleich für fünf Hausboote am Nordkaiufer zusammen realisieren. Die Planung dauert schon zwei Jahre und soll im Frühjahr 2012 mit dem ersten Spatenstich (am Ufer) abgeschlossen sein. "Die Anlage kostet uns eine Viertelmillion Euro", sagt Architekt Daniel Wickersheim, der auch in dem Wasserhaus wohnen will. Er plant als Schwimmhaus eine "runde Röhre" und rechnet mit Baukosten von 450 000 Euro. "Dabei sind aber auch viele Eigenleistungen von mir, denn ich habe auch Tischler gelernt." Das Grundstück stellt die Stadt Hamburg für eine jährliche Pacht von 1000 Euro.
Daniel Wickersheim fühlt sich wie ein Pionier und wartet jetzt auf die Taucher, die den Gewässerboden nach Bomben absuchen. Bombengefahr und verschatteter Schlamm spielt bei den "nicht legalen" - aber geduldeten - Hausbooten keine so große Rolle. Etwa 80 Stück, so schätzt der Hausbootlotse, würden in Hamburger Gewässern liegen. Hat Hamburg Chancen auf 1000 "Floating Homes"? Wolfgang Vocilka überlegt kurz, sagt dann: "Vielleicht ..."