In Peking bekennt sich Bürgermeister Olaf Scholz zur Bedeutung der Menschenrechte. Unerwartet offene Diskussion mit Studenten.
Peking. Auf dem Feld der Diplomatie kommt es oft auf ein einziges Wort an, auf eine kleine Geste. Willy Brandts Kniefall von Warschau hatte mehr positiven Einfluss auf die deutsche Außenpolitik als manche große Rede. Im Gegensatz dazu löste Guido Westerwelle mit unbedachten Worten zum Umsturz in Libyen diplomatischen Aufruhr aus. Beim China-Besuch von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) war - außenpolitisch gesehen - die entscheidende Frage, ob Scholz das Thema Menschenrechte ansprechen würde. Mehrere Organisationen wie die Gesellschaft für bedrohte Völker hatten ihn im Vorfeld direkt dazu aufgefordert.
Nachdem Scholz das Thema am Vortag bei Gesprächen mit der Staatsspitze elegant umschifft hatte, fiel es nun noch, das M-Wort. Bei einem Vortrag an der EU-China School of Law betonte der Bürgermeister zunächst die Bedeutung des 1999 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem chinesischen Ministerpräsidenten Jiang Zemin initiierten Rechtsstaatsdialogs. "Wir brauchen Dialog - auf allen Ebenen", sagte Scholz mit Blick auf ein aktuelles Beispiel: "Die Finanzkrise zeigt, dass wir alle in einem Boot sitzen. Wir werden alle Erfolg haben - oder alle nicht." Daher sei der Austausch so wichtig, leitete Scholz seinen Schlüssel-Satz ein: "Dabei schließt der Rechtsstaatsdialog die Achtung der Menschenrechte ausdrücklich mit ein."
+++ Auf China-Tour +++
+++ Hamburgs Bürgermeister in der Verbotenen Stadt +++
War dies für diplomatische Verhältnisse schon recht deutlich, legte der Jurist Scholz, der die gesamte Veranstaltung in fließendem Englisch absolvierte, später noch nach. In der unerwartet offenen Diskussion mit den Studenten wurde der Bürgermeister, dessen Thema an diesem Tag eigentlich "Schiedsgerichtsbarkeit im deutschen Rechtswesen" war, nach seinen Vorstellungen von einer Zivilgesellschaft gefragt. "Haben Sie noch vier Stunden?", scherzte Scholz unter Hinweis auf die Komplexität der Frage, um dann doch kurz und klar zu antworten. "Es ist nötig, dass die Menschen in demokratische Prozesse eingebunden sind, um eine Zivilgesellschaft zu entwickeln. Man muss Wege der Beteiligung finden für diejenigen, die sich beteiligen wollen." Die Anspielung auf das totalitäre Regime in China wurde verstanden.
In Scholz' gut 30-köpfiger Delegation, die am Nachmittag in die Partnerstadt Shanghai weiterreiste, gab es gestern auch anderweitig Diskussionen über "Minderheitenrechte" - ausgelöst durch die Ungleichbehandlung der Bürgerschaftsabgeordneten Erck Rickmers (SPD) und André Trepoll (CDU). Letzterer, der einzige Oppositionsabgeordnete in der Delegation, durfte am Vortag nicht an den Gesprächen mit einem hochrangigen Vertreter der Kommunistischen Partei und einem Treffen mit dem Vize-Ministerpräsidenten teilnehmen - während Rickmers stets dabei war. Zur Erklärung kursierte zeitweise das Gerücht, das Treffen bei den Kommunisten sei als Parteiveranstaltung zu verstehen gewesen, daher sei Rickmers dabei gewesen und Trepoll nicht - was kritische Nachfragen provoziert hätte, schließlich handelt es sich um eine offizielle Senatsreise, nicht um einen SPD-Ausflug. Senatssprecher Christoph Holstein betonte daher, es handele sich um einen bedauerlichen "protokollarischen Fehler", beide Abgeordneten sollten gleich behandelt werden. Trepoll akzeptierte die Erklärung.
Auch so ein kleiner diplomatischer Funke, aus dem leicht ein Feuer hätte werden können.