Kino-Betreiber Hans-Peter Jansen schließt Ende Dezember das Traditionshaus in Lurup. “Es ist schmerzhaft wegzugehen.“
Hamburg. Für einen, der von sich sagt, er lebe Kino, ist es eine schwere Entscheidung. "Aber", sagt Hans-Peter Jansen, "nicht zu verhindern". Zum Jahresende wird der ungekrönte König der Vorstadtleinwände das Fama in Lurup dichtmachen. Fast 20 Jahre lang betreibt er das Lichtspieltheater im 50er-Jahre-Dekor, in dem jeder Besuch zur Zeitreise wird. "Es ist schmerzhaft wegzugehen. Ich liebe dieses Haus", sagt der 64-Jährige. Ende Dezember wird der schwere Vorhang - dreifarbig, aber im Unterschied zum hippen Retro-Stil echt - zum letzten Mal aufgehen.
Dass sich an vielen Abenden gerade mal zehn Leute in dem großen kühlen Saal mit der sanft gekräuselten Wandbespannung verlieren, ist die eine Sache. "Kostendeckend ist das Fama schon lange nicht mehr", sagt Jansen, der noch sieben weitere Spielstätten betreibt und erst vor einigen Wochen das Studio an der Bernstorffstraße in neuem Glanz wieder belebte. Jetzt aber kommen zwei weitere Probleme dazu. "Die Belieferung mit analogen Filmen wird immer schwieriger." Um aber auf die zukunftsträchtige digitale Technik umzusteigen, seien Investitionen in Höhe von etwa 100.000 Euro notwendig. "Das rechnet sich einfach nicht." Außerdem drohe dem vertäfelten 70er-Klotz an der Luruper Chaussee absehbar der Abriss. Die Eigentümer, die Familie von Mallesch, hatten das Traditionshaus einst selbst betrieben und sich mit dem Namen Fama für Familie Mallesch ins lichtbildnerische Gedächtnis der Stadt eingetragen. Jetzt wollen sie an dem Standort ein neues Projekt verwirklichen. "Das hat für mich den Anstoß gegeben, den Mietvertrag zum 31. Dezember zu kündigen", sagt Jansen.
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Schade? Ja, sehr schade. Das Fama ist ein Relikt, ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Unter dem Kinosaal ist ein Futterladen "Alles Gute für ihr Tier", gegenüber eine "Sportsbar" und ein Döner-Imbiss. Abends ist es hier so verlassen, dass man ohne warten über die vierspurige Straße kommt. Mehr Betrieb ist nur eine Ecke weiter. Dort gibt es seit einiger Zeit eine große Videothek. "Ich finde es wichtig, dass ein Stadtteil ein Kino hat", sagt Jansen, der Elektrotechnik und Betriebswirtschaftslehre studiert hat. 1977 eröffnete er mit Freunden seine erste Spielstätte, das Alabama in Eidelstedt. "Weil uns das Programm in den Kinos nicht gefiel." 1992 mussten sie schließen. 1993 übernahm Jansen das Fama und begründete sein Vorort-Imperium. 1997 folgte das Elbe in Osdorf, 1999 das Blankeneser Kino und 2002 das Koralle-Kino in Volksdorf. Außerdem betreibt sein Filmtheaterbetrieb zwei Kinos in Bargteheide und in Plön.
"Aber ich bin kein Cineast", sagt der Eimsbüttler mit seiner leicht nuscheligen Stimme. "Ich lebe Kino. Sie kommen zu mir." So wie zuletzt das Studio, das Jansen umbauen ließ und jetzt mit Ehefrau Lydia und Tochter Lea betreibt. Dort sitzt er wie fast in allen anderen seiner Kinos auch selbst an der Kasse. "Es geht ja auch darum, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Stadtteilkino ist auch Nähe." Der Kino-Sammler hat eine Mission. "Ich versuche, den Menschen etwas zu bewahren, was gerade überall wegbricht." In seinen anderen Häusern klappt das. Vor allem das Koralle-Kino, für dessen Erhalt sich eine Bürgerinitiative gegründet hatte, läuft gut. Auch das Blankeneser. "Die Besucher ändern sich. Nicht die Jungen kommen, sondern die Alten."
In Hamburg haben nur wenige unabhängige Lichtspielhäuser die Krisen der vergangenen Jahrzehnte überstanden. Neben Abaton, Zeise und denen des Kino-Sammlers Jansen gibt es noch das Magazin in Winterhude, das B-Movie auf St. Pauli, das 3001 im Schanzenviertel, das Alabama auf Kampnagel sowie Passage-Kino in der City und das gerade wiedereröffnete Metropolis.
In Lurup wird der erleuchtete Reklame-Schriftzug des Fama in wenigen Wochen erlöschen. "Melancholia" von Lars von Trier wird er noch zeigen, "Fenster zum Sommer" mit Nina Hoss. Vielleicht klappt es auch mit dem Krebsdrama "Halt auf freier Strecke" von Andreas Dresen. Filme mit Niveau, europäische zumeist, Klassiker - "kein Mainstream", das ist Jansens Credo. Und von dem will er nicht lassen. Dafür hat er schon viele Kinopreise bekommen, auch für das Fama. 2008 hatte er es schon mal geschlossen, nach Protesten aber im März 2009 wiedereröffnet. Jetzt sagt er: "Dieses Mal ist es endgültig. Die Luruper haben das Kino nicht angenommen." Und für alle anderen ist es weit weg. Schon jetzt wird das Kino nur noch am Wochenende bespielt.
Noch ist nicht klar, wann die letzte Vorstellung sein wird. "Wenn ich daran denke, werde ich ganz wehmütig", sagt Jansen. "Ich mache ungern ein Kino zu. Ich mache lieber eins auf." Trotzdem sei es unwahrscheinlich, dass sich die Leerstelle, die das Fama hinterlässt, so schnell schließt. "Ich habe Projekte in der Pipeline, aber nicht in Hamburg."