Drastische Kürzungen haben bewirkt, dass viel zu wenige Gärtner eingesetzt werden. Parks drohen zu verwahrlosen. Bürger fordern ein Umdenken.
Hamburg. Bürgervereine und Naturschützer erheben Klage: Parks und andere Grünanlagen in der Hansestadt drohen zu verwahrlosen. Was derzeit oft nur Experten erkennen, könnte in nächster Zeit für jedermann offenkundig sein: Den Behörden mangelt es an Geld, die grünen Kleinode ausreichend zu hegen. Vielerorts sind die Etats für die Parkpflege fast halbiert worden - und das ausgerechnet in jenem Jahr, in dem Hamburg als "Umwelthauptstadt" Vorbildfunktion für Europa übernehmen soll. Zudem richtet 2013 die Internationale Gartenschau den Blick nach Hamburg.
Konsequenz der drastischen Sparmaßnahmen: Eine stark reduzierte Zahl an Gärtnern wird den Anforderungen nicht mehr Herr. Wege können nicht gepflegt, Unkraut und ausufernde Vegetation nicht mehr entfernt, Schandflecken nicht mehr beseitigt werden. Wo einstmals liebevoll gemäht oder gestutzt wurde, wird neuerdings mit schwerem Gerät großflächig gerodet. Auch der Stadtpark, der Eichtalpark, der Volkspark sind betroffen. Tenor der Klagen: "Hamburg rühmt sich als grüne Stadt, pflegt sie aber nicht."
+++ Das Abendblatt stellt die Hamburger Naturschutzgebiete vor +++
Den Behörden sind die teilweise schlimmen Zustände bekannt. "Wir setzen derzeit einige Schwerpunkte in der Pflegeintensität in markanten Parksituationen", heißt es von seiten des auch für den Jenischpark zuständigen Bezirksamts Altona. "Flächig ist die gewünschte Qualität aber nicht zu erreichen." Fazit: "Die Gelder reichen nicht aus, um in ganzer Fläche einen zufriedenstellenden Zustand zu bewahren." Ein leitender Mitarbeiter wird unter der Hand deutlicher: "Noch hat kaum einer bemerkt, dass sich in Hamburgs Parks ein Desaster anbahnt."
Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt streitet die Lage nicht ab. Der Haushalt gebe nicht mehr her. Senatorin Jutta Blankau (SPD): "Uns ist klar, dass die Bezirke mehr Geld fürs Grün brauchen. Da wir alle nach dem Prinzip ,pay as you go' arbeiten, müssen diese Mittel woanders eingespart werden. Wie viel und wo das sein kann, darüber diskutieren wir derzeit mit Nachdruck." Intern ist die Analyse durchaus klar (siehe Artikel unten).
"Nicht nur die Elbparks verkommen zusehends", sagt der renommierte Parkkenner und Buchautor Reinhard Crusius ("Der Jenischpark - Ein Spaziergang durch seine Geschichte und die Jahreszeiten") im Namen vieler anderer Kläger. "Leider ist der Trend stadtweit zu erkennen." Sei Hamburg bis jetzt stolz auf seinen Ruf als Stadt wunderschöner Gärten und majestätischer Parkanlagen gewesen, gehe es nun steil bergab: "Der Jenischpark ist ebenso schlecht gepflegt wie jede andere Hamburger Grünanlage. Sein Status als Gartendenkmal wird ignoriert."
Auf Bitte des Abendblatts versammelten sich einige der Kritiker zum Lokaltermin im Jenischpark. Wo bis vor wenigen Jahren noch eine Station des Gartenbauamtes untergebracht war und mit drei Fachkräften Hand angelegt wurde, sind Gärtner heute nur noch selten zu sehen. Für jedermann sichtbares Beispiel des Verfalls ist die historisch bedeutsame "Knüppelbrücke" im Herzen der von Baron Voght angelegten Grünanlage. Für rund 60 000 Euro durch private Sponsoren neu errichtet, ist die Brücke seit mehr als einem Jahr gesperrt - sodass die anschließenden Wege nicht passierbar sind. Weitere Folge: Spaziergänger richten Trampelpfade ein.
Wilhelm Freiherr von Buddenbrock vom Verein "Erhaltet Flottbek" weist auf zahlreiche Stellen mit extremem Wildwuchs hin. "Die Erhaltung des historischen Umfelds in den Parks wird von der Stadt sträflich vernachlässigt", sagt er. Im Namen der Vereinigung "Freunde des Jenischparks" ergänzt Elke Beckmann: "Der Politik ist nicht klar, dass unsere historischen Grünanlagen ein hohes Kulturgut sind."
Gerd Müller stimmt in die Kritik ein. Er ist Mitglied des Vereins "Hamburg - grüne Metropole am Wasser", einer Unterorganisation der Patriotischen Gesellschaft. Müller weiß, dass der Japanische Riesenknöterich mit dem botanischen Namen "Fallopia" in Hamburgs Parks verheerendes Unheil anrichtet. "Wo er einmal wächst, lässt er sich nur mit großem Aufwand entfernen", sagt er mit Blick auf alle Hamburger Parks. Da kein Geld vorhanden sei, drohe zukünftig Ungemach: "Der Verbreitung des Knöterichs wird weitgehend tatenlos zugesehen, und die Konsequenzen sind jetzt schon am Elbufer und besonders auch im Westerpark zu beobachten." Die Gefahr ist längst bekannt, deren Eindämmung jedoch wird vernachlässigt.
Zu den Kritikern zählt auch Prof. Jürgen Weber, Chef des Bürgervereins Blankenese und stellvertretender Vorsitzender von "Grüne Metropole". "Zur Unterhaltung fehlen rund 50 Prozent der Mittel", sagt er. "Vor allem im Blankeneser Baurs Park ist die Pflegesituation zum Teil katastrophal." Arbeiten würden "in aller Eile und notdürftig mit Großgeräten" ausgeführt. Weitere Vorwürfe der Parkprofis: Rhododendren würden mit einer Art Kettensägen grob geschnitten. Treppen überwuchern, Wege wachsen zu. Im Jenischpark seien einige für die Anlage typische Sichtachsen längst zugewuchert. Und Ahornbäume, bis zu fünf Jahre alt, hätten sich in den Hainen ausgebreitet und nehmen so dem traditionellen Baumbestand immer mehr Lebensraum.
"Das sind Sargnägel für unsere Parks", sagt Jürgen Weber. "Das Engagement vieler Bürger wird so zunichte gemacht." Ebenso sehen es die beiden Autoren des Jenischpark-Buches, Paul Ziegler und Reinhard Crusius: "Jetzt spazieren viele Besucher noch sorglos durch die Parks, doch hinter den Kulissen braut sich Unheil zusammen." Crusius: "Wir laden Bürgermeister Olaf Scholz ein, sich selbst ein Bild zu machen. Er wird schockiert sein."
Seite 2 Leitartikel: Rettet Hamburgs Parks