Überraschend rief Hamburgs Bürgermeister die Parteien zur Einigkeit auf. “Übliches Beschimpfen untereinander“ helfe dem Bürger nicht weiter.

Hamburg. Angesichts fehlender Wohnungen und immer höherer Mieten in Hamburg hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Opposition und Regierungsfraktion zu einem gemeinsamen Engagement aufgefordert. „Diese Anstrengung muss jetzt gemeinsam begonnen werden. Da darf nicht gegeneinander geredet werden, sondern das müssen wir miteinander zustande bringen“, sagte er am Mittwoch in der Bürgerschaft. Er hatte in einer Aktuellen Stunde des Parlaments überraschend das Wort ergriffen und sagte: „Niemand tut den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Stadt einen Gefallen , wenn, das, was wir als ernsthafte Debatte über den Wohnungsbau zustande bringen, daherkommt als das übliche Beschimpfen der Politiker untereinander.“ Die Opposition sicherte zwar ihre Mitarbeit zu, sparte aber auch nicht an Kritik.

Im Jahr 2030 werde Hamburg möglicherweise mehr als 1,9 Millionen Einwohner haben, sagte Scholz. Die ganze Politik in der Hansestadt müsse deshalb verabreden, dass jeder, der eine Wohnung suche, auch eine finde. Mit Blick auf die versprochenen mindestens 6000 neuen Wohnungen pro Jahr betonte der Bürgermeister, es dürften in keinem Jahr weniger werden. „Wir müssen es hinkriegen, dass der Wohnungsbau in Hamburg wieder eine ganz massive Realität wird.“ Es müsse doch so sein, „dass die Bürger dieser Stadt den Eindruck haben, alle Abgeordneten dieses Hauses haben vor allem eines im Sinn: nämlich wie wir all denjenigen, die mit den Wohnungsmietpreisen nicht zurecht kommen, die eine Wohnung suchen und keine finden (...), dass wir diesen möglichst bald zu einer geeigneten Wohnung verhelfen.“

Der CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich sagte: „Hier müssen in der Tat alle Parteien zusammenstehen und hier müssen wir etwas ändern.“ Aber die SPD habe mehr zu leisten, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Er zählte dazu eine andere Verkehrs-, Wissenschafts- und Sozialpolitik. „Hier hat der Senat noch nicht geliefert.“ Außerdem kritisierte Wersich, dass der Senat nicht einmal wisse, wie viele Wohnungen derzeit gebaut werden. „Mit einem solchen Controlling können sie die Ziele nicht erreichen“, sagte er.

+++ Mietenspiegel +++

Der GAL-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan betonte, er begrüße Scholz' Appell zwar, die SPD müsse aber bei sich selbst beginnen. „Die einzigen, die in dieser Debatte immer den Finger auf die anderen gezeigt haben, das war die Regierungsfraktion“, sagte Kerstan. Scholz könne nicht immer nur die Schuld auf die Vorgängersenate schieben. Er forderte die SPD-Regierung auf, an den konkreten Problemen zu arbeiten. „Wir alle sollten viel mehr an den praktischen Problemen arbeiten, anstatt hier große pathetische Appelle zu starten, die an der Situation leider nichts ändern“, sagte er.

Zuvor hatte Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) die Wohnungsbaupolitik des Senats verteidigt. „Die steigende Zahl erteilter Baugenehmigungen ist ein deutlicher Beleg dafür, dass sich etwas geändert hat“, sagte Blankau. Seit Anfang des Jahres seien bereits mehr als 5500 Baugenehmigungen erteilt worden. Die Opposition hatte die alleinregierende SPD dazu aufgefordert, stärker gegen Mieterhöhungen und Wohnungsmangel in Hamburg vorzugehen.

Wohnungsnot und steigende Mieten - live aus dem Rathaus

Die FDP warf der Regierung vor, nur Absichtserklärungen zu liefern. „Derzeit wird nach sozialistischer Manier ein Plansoll von Wohneinheiten angestrebt, ohne dass es ein Konzept dafür gibt, wo welche Wohnungen eigentlich gebraucht werden“, sagte Stadtentwicklungsexperte Kurt Duwe. Auch die Linke kritisierte, die Vorhaben des Senats reichten nicht aus. Gleichzeitig bemängelte sie die zum Teil dramatischen Mieterhöhungen in Hamburg. „Das kapitalistische Marktsystem hat hier komplett versagt“, sagte die Stadtentwicklungsexpertin der Linken, Heike Sudmann. (dpa)