Hamburgs Pläne für eine Konkurrenz-Windmesse zu Husum verärgert Kiel. Die dortige CDU kritisiert die Kooperationsbereitschaft der Hansestadt.

Kiel/Hamburg. Der Kuschel-Kurs der CDU-Landesväter Peter Harry Carstensen und Ole von Beust ist Geschichte. Zwar kommen auch der lebensfrohe Kieler CDU-Ministerpräsident und sein nüchterner neuer Hamburger SPD-Kollege Olaf Scholz persönlich gut miteinander klar, doch ansonsten ist die Atmosphäre gespannt wie seit langem nicht. Die am Mittwoch nun ganz offiziell verkündeten Pläne für eine Windmesse in der Hansestadt lösten in Schleswig-Holstein einen Sturm von heftigen Gegenreaktionen, Drohungen und Vorwürfen aus – weil die bisher weltgrößte Windmesse in Husum unter Druck gerät. Hamburg bekundet generell anhaltende Kooperationsbereitschaft mit dem Norden. Der Senat werde auch darauf hinwirken, dass die enge Kooperation mit dem Messestandort Husum fortgesetzt wird, sagte ein Sprecher.

Bei Husum geht es nicht nur um eine Messe in einer strukturell schwachen Gegend. Vielmehr definiert sich die Standortqualität des Landes über die Windenergie, wie Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) sagt. Der Norden gibt nicht klein bei: Regierungschef Carstensen will schon diese Tage mit Vertretern der Husum-Wind und der Hannover-Messe eine Windenergie-Allianz mit internationaler Ausstrahlung auf den Weg bringen. Den Ärger über Hamburgs Aktivitäten offenbarte Regierungssprecher Knut Peters: „Hamburg legt damit Umgangsformen an den Tag, die nicht akzeptabel sind“. Der Senatssprecher habe noch vor zwei Wochen gesagt, es sei Quatsch, dass Hamburg die Messe abwerben wolle.

Wie bitter der Norden reagiert, machte der SSW klar: Er sprach von einer wirtschaftspolitischen Kriegserklärung. Doch es geht um mehr als nur um Wirbel um eine Windmesse. Tief sitzt in der schwarz-gelben Koalition auch der Ärger darüber, dass die Hamburger die sogenannte Länderklausel im geplanten Gesetz zur unterirdischen CO2-Speicherung im Bundesrat mit zu Fall gebracht haben und damit eine Regelung, die Carstensen und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki erkämpft hatten.

„Ich bedauere es sehr, dass es im Moment zu Störungen gekommen ist“, sagte Carstensen. „Ich mache mir schon Sorgen über die Einstellung, die sich da augenscheinlich geändert hat.“ Zwar seien beide Länder nicht hundertprozentig aufeinander angewiesen, aber: „Wir können beide gewinnen durch Kooperation.“ Carstensen sieht beim Amtskollegen Scholz Lernbedarf: „Er hat noch nicht begriffen, dass eine moderne Landespolitik nicht an den Landesgrenzen endet“.

Die Zusammenarbeit sei in der Praxis gut und in vielen Bereichen gelebter Alltag, hieß es aus Hamburg. „Mit dem Amtsantritt des neuen Senats hat sich daran nichts geändert“, betonte ein Sprecher. Entscheidend sei, dass am Ende eines Projektes immer ein konkreter Nutzen für Bürger, Unternehmen und Region stehe.

Doch ob eine gemeinsame Patentverwertung und Investitionsbank oder eine Mitverwaltung Schleswig-Holsteins für die 5000 Hektar Wald in Hamburg und dorthin fließendes EU-Geld für ländliche Räume – es stockt. Bei den Fördermitteln will Hamburg nun gar mit Mecklenburg-Vorpommern kooperieren. Vor eineinhalb Jahren hatten Carstensen und von Beust noch eine Arbeitsgruppe vereinbart, um weitere Kooperationsfelder zu prüfen. Von einer gemeinsamen Luftfahrtbehörde über ein gemeinsames Landeslabor und eine gemeinsame Ausbildung von Rechtsreferendaren bis zur Wirtschaftsförderung reicht die Palette. Ergebnisse wurden bis Herbst erbeten; was nun konkret vorgeschlagen und umgesetzt wird, ist ungewiss. Nicht alles könne mit gleicher Geschwindigkeit vorangetrieben werden, heißt es aus Hamburg.

So offen wie Grünen-Fraktionschef Robert Habeck - „Pfeffersäckische Mentalität“ – sagen es andere nicht, aber unterschwellig kursiert in Kiel der Vorwurf hanseatischer Arroganz. „Es geht um Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, betont Carstensen. „Und das heißt nicht, dass einer kniet.“

Ob alles anders geworden wäre, wenn Hamburgs erster Nachkriegsbürgermeister Rudolf Petersen das Angebot der britischen Besatzer angenommen hätte, mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein einen Nordstaat zu bilden? Er lehnte ab wegen der Armut der Flächenländer. Nachdem die Nordstaat-Idee lange politisch tot war, regte sie sich in den 90er Jahren wieder, in denen die Haushaltslage in Kiel immer mieser wurde. Auch Carstensen ging sie nach seinem Amtsantritt 2005 relativ offensiv an, doch das ist längst vorbei.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit bleibt. Weit über 100 000 Schleswig-Holsteiner arbeiten in Hamburg, 50 000 Hansestädter im „Speckgürtel“. Verkehrsverbindungen und Schulbesuche, eine der stärksten Metropolregionen in Deutschland, der Hamburger Hafen, der Flughafen Fuhlsbüttel – die Realität außerhalb der Politik offenbart endlos viel Gemeinsames zwischen den ungleichen Nachbarländern.

Schleswig-Holstein sei wirtschaftlich gesehen nur ein Wurmfortsatz der Hamburger Lombardsbrücke, hatte der Kieler Ministerpräsident Hermann Lüdemann in der Nachkriegszeit gesagt. Doch seither hat sich viel getan. Wenn Hamburg sein Konzept der wachsenden Stadt weiter umsetzen will, braucht es Schleswig-Holstein. Jeder Fleck, der für ein Bauvorhaben versiegelt wird, erfordert eine Ausgleichsfläche, um Naturschutz-Vorgaben zu erfüllen. Und der Hafenschlick muss auch entsorgt werden, heißt es in Kiel. (dpa)