Um den Jungen ruhigzustellen, soll die Mutter ihm Schlafmittel gegeben haben. Jetzt müssen sich die Eltern vor Gericht verantworten.

Hamburg. Eine 54 Jahre alte Frau soll sich in ihrer Wohnung prostituiert haben – in Gegenwart ihres Kindes. Um den Jungen ruhigzustellen, soll sie ihm noch Schlafmittel gegeben haben. Seit Donnerstag muss sie sich zusammen mit ihrem 42 Jahre alten Ehemann vor dem Hamburger Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht vor.

Laut Anklage war der Sohn auch dabei, wenn es zu Gewaltausbrüchen zwischen seinen Eltern kam. Die daraus resultierende Entwicklungsstörung führte dazu, dass der Junge von den Behörden zunächst als geistig behindert eingestuft wurde. Im Alter von vier Jahren war er laut Kinderarzt auf dem Stand eines zweieinhalbjährigen Kindes.

Die Mutter brach am Donnerstag im Sitzungssaal in Gelächter aus und tippte sich gegen die Stirn, während die Anklage verlesen wurde. "Mein Sohn hatte nicht einmal einen Mückenstich, so gut habe ich auf ihn aufgepasst“, ließ sie die Richterin wissen. "Angeschafft“ habe sie nie zu Hause. Sie habe extra ein Zimmer angemietet und eine Babysitterin engagiert, erklärte die Angeklagte. Hinter der Anklage witterte die Südamerikanerin eine Verschwörung der Mafia.

Eine Sachverständige sagte, es gebe bei der Angeklagten Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Das soll bis zum nächsten Verhandlungstag weiter untersucht werden. Der mitangeklagte Vater blieb im Sitzungssaal zunächst regungslos, dann stimmte er seiner Ehefrau aber in weiten Teilen zu und bezeichnete die Vorwürfe als "völlig aus der Luft gegriffen“. Dem "Lütten“ sei es immer gut gegangen. An seinen kaputten Zähnen sei Saft schuld gewesen, an der Entwicklungsstörung eine Lernschwäche. Im August 2008 war das Kind in ein Pflegeheim gekommen.

Erst am vergangenen Dienstag hatte ein anderer Fall von schwerer Kindesvernachlässigung die Hamburger Justiz beschäftigt. Eine Woche lang soll eine 31-Jährige ihre vier Kinder im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren allein in ihrer Hamburger Wohnung zurückgelassen haben. Zeugen schilderten vor Gericht ein Bild der absoluten Verwahrlosung. Beide Prozesse sollen im September entschieden werden. (dpa)