Deutschlands Wirtschaft stagniert. Für den Euro könnte es deshalb eng werden.
Es hat in den vergangenen Monaten wohl kein anderes demokratisches Land auf diesem Erdball gegeben, das so viel Lob für seine Wirtschaftspolitik bekommen hat wie Deutschland - und zwar zu Recht. Die Arbeitslosenzahlen sind kräftig gesunken, das Wachstum befand sich über einen vergleichsweise langen Zeitraum auf einem ordentlichen Niveau und das soziale Netz zeigt weiterhin keine größeren Löcher. Bis vor wenigen Wochen konnte man sich hierzulande wie auf einer Insel der Glückseligkeit fühlen. Südeuropa ächzte unter den Lasten von Rekord-Arbeitslosigkeit und Schuldenbergen, Japan verharrte in Dauerstagnation, in England lieferten sich perspektivlose Jugendliche Straßenschlachten mit der Polizei und die politische Weltmacht USA schrammte nur knapp an der Staatspleite vorbei.
Sicherlich irritierte die nicht endende Diskussion über die Zukunft des Euro die Nation. Und die großzügig gewährten Milliardenhilfen an die klammen Währungspartner machten nachdenklich. Aber negative Auswirkungen auf den eigenen Job, das Gehalt, den Lebensstandard gab es keine. Hiesige Unternehmen freuten sich sogar über gut ausgebildete ausländische Arbeitskräfte, die ihre kriselnden Heimatländer verließen, um im Wirtschaftswunder-Deutschland ihr Glück zu suchen. Die weltweiten ökonomischen Verwerfungen milderten folglich das Dauerproblem des Fachkräftemangels.
Realisten stellten schon vor gut einem Jahr die Frage, wie lange sich Deutschlands Wirtschaft erfolgreich gegen den weltweiten Abwärtssog wehren könne. Wie lange die Kraft, basierend auf frühzeitigen Sozialreformen und einer weitsichtigen Lohnpolitik, wohl reiche. Die globalen Börsenturbulenzen, die selbstverständlich auch das deutsche Finanzzentrum Frankfurt erreichten, waren ein erstes Signal dafür, dass es in den kommenden Monaten ungemütlicher werden könnte - auch im vermeintlichen Wunderland. Und die gestern verbreitete Statistik, dass die heimische Wirtschaft mittlerweile kaum noch wächst, lässt die Zukunft ebenfalls in einem weniger rosigen Licht erscheinen. Deutschland ist eben keine Insel, sondern eine Handelsnation, ökonomisch eng verwoben mit dem Rest Europas, den USA und Asien. Und wenn die Konjunktur weltweit einknickt, hat dies auf mittlere Sicht selbstverständlich negative Folgen für die Bundesrepublik. Es ist diese Mixtur aus einem aufziehenden globalen Abschwung und der in der deutschen Bevölkerung verbreiteten, aber undefinierten Angst vor den Folgen der Euro-Probleme, die so gefährlich ist.
Die Menschen - nicht nur in Deutschland - in ganz Europa brauchen endlich Klarheit, wie es mit dem Euro weitergehen soll. Will man an der jungen Währung festhalten, dann muss es endlich eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik geben. Mit klaren Regeln, die nicht nach Tageslaune geändert oder verletzt werden. Die Schulden müssen kompromisslos abgebaut, die Sozialsysteme nicht nur hierzulande reformiert und die Steuerpolitik vereinheitlicht werden. Diese Maßnahmen bedeuten den Verlust von nationaler Souveränität. Doch einen anderen Weg, den Euro zu retten, gibt es nicht. Der gestrige Vorstoß von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsidenten Sarkozy weist in die richtige Richtung. Allerdings müssen die Ideen nun auch umgesetzt werden.
Selbstverständlich könnten die Staaten den Euro mit Milliardenhilfen auch weiter künstlich beatmen, doch der Tod des Patienten würde so nur aufgeschoben, nicht verhindert. Noch sichert vor allem das wirtschaftlich starke Deutschland die Zukunft des Euro, während über Frankreich bereits die Geier der Rating-Agenturen kreisen. Doch wenn nun auch die Bundesrepublik in den Sog des globalen Abschwungs gerät, wird es eng für den Euro. Die Zeit zum Handeln drängt.