Der 19-jährige Ricardo Pilguj reist seit Jahren durch ganz Europa, um die Schiffe der Reichen zu fotografieren. Noch viel lieber würde er sie bauen.
Hamburg. Ein bisschen verrückt ist er schon, der 19-jährige Ricardo Pilguj. Gerade hat er sich von seinem Taschengeld und dem Geld, das er zum bestandenen Abitur bekommen hat, ein Flugticket nach Ibiza gekauft. Allerdings nicht, um dort auf wilde Partys zu gehen, wie es andere Abiturienten vielleicht machen würden. Sondern um Superyachten zu beobachten und zu fotografieren. "Meine Freunde finden das schon ein bisschen skurril, was ich da mache. Aber sie haben sich langsam dran gewöhnt", sagt er.
Der junge Mann aus Handorf bei Lüneburg ist verrückt nach Superyachten. Jedes Detail kennt er von Schiffen wie der in Hamburg gebauten "Eclipse" - und nicht nur das, viele von ihnen hat er selbst bereits fotografiert. Durch ganz Europa ist er gereist, um die Yachten vor seine Linse zu kriegen. Gerade war Pilguj für einige Tage auf Ibiza. "Im Internet hatte ich recherchiert, dass Herr Abramowitsch mit seiner ,Eclipse' - deren Bau ich schon in Hamburg verfolgt habe - dort sein sollte. Also bin ich spontan hingeflogen", sagt er. Der Trip hat sich gelohnt. "Ich habe tolle Aufnahmen von der ,Eclipse' machen können." Insgesamt 1500 Bilder seien in den vier Tagen entstanden.
Großes Aufsehen scheint Pilguj - dessen Name wie ein Künstlername klingt, auch wenn er es nicht ist - allerdings nicht gern um seine Person zu machen. Ganz im Gegenteil, beim Treffen am Hamburger Hafen wirkt der junge Mann mit den dunklen Haaren und der Brille schüchtern. Details über seine Arbeit erzählt er nur auf Nachfrage. Denn was für andere ungewöhnlich erscheint, ist für ihn selbstverständlich.
"Als kleiner Junge, ich war noch nicht einmal in der Schule, habe ich angefangen, mich für die Motoryachten zu interessieren", sagt er über seine Begeisterung für die luxuriösen Schiffe. "Wir waren im Familienurlaub auf Ibiza und ich habe die schnittigen Dinger im Hafen immer bewundert." Der unglaubliche Luxus habe ihn angezogen und beeindruckt. Stundenlang habe er sie sich von den Stegen aus anschauen können. "Und bald auch die ersten Bilder gemacht." Damals allerdings noch mit einer schlichten Kinder-Analogkamera. Später nutzte der Junge die Familienurlaube auf der Baleareninsel, um sein Wissen über die Yachten und seine Fotosammlung zu erweitern.
Aus der Analogkamera wurde einige Jahre später eine schlichte Digitalkamera. Und dann vor etwa einem Jahr zum 18. Geburtstag eine digitale Spiegelreflexkamera, wenn auch eine kleine, wie er sagt. "Die habe ich mir zusammengespart", sagt er. "Mit dem Geld, das ich zum Geburtstag bekommen habe, hat es dann endlich gereicht." Das Fotografieren hat er sich selbst beigebracht. "Ich habe mich mit den einzelnen Kameratypen vertraut gemacht. Die Einstellungen ausprobiert, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war."
Mehrfach ist Pilguj, der gern in den Hamburger Hafen fährt, um zu fotografieren, bereits den Superyachten hinterhergereist. So war er im vergangenen Sommer für einige Tage in Monaco. "Dort sind eigentlich immer einige der ganz großen Schiffe zu finden - Monaco ist der Hotspot für Yachten." Auch in Barcelona war er 2009. Und natürlich auf Ibiza. "Ich recherchiere fast täglich im Netz, welches Schiff wo ist. Auf extra dafür eingerichteten Seiten kann man die Route der Schiffe verfolgen, ihnen dann hinterherfahren."
Dabei ist das Fotografieren mehr als nur ein Hobby für den 19-Jährigen geworden. Pilguj hat mit einer Fotoagentur, die sich auf Wassersportbilder spezialisiert hat, einen Vertrag. "Die bieten meine Bilder an. Wenn sie verkauft werden, teilen wir uns das Geld." Große Summen seien bisher zwar noch nicht geflossen, "aber der eine oder andere Verkauf hat mir schon mein Taschengeld aufgebessert". Gerade zierte eines seiner Bilder sogar die Titelseite eines internationalen Fachmagazins. "Es bringt Spaß, die eigenen Bilder dann in Zeitschriften zu entdecken."
Dass Pilguj ein Multitalent ist, zeigt sich wenig später, als er unverhofft eine Mappe aus dem Rucksack holt. Die ziert ein professionell gestaltetes Logo, als sei der Abiturient seit Jahren im Geschäft. In Plastikhüllen liegen hier Bleistiftzeichnungen, aber auch Computersimulationen von Motoryachten. "Mein Traumberuf ist der Yachtdesigner", sagt er und schiebt die Mappe über den Tisch. Deshalb habe er schon vor Jahren angefangen, Schiffe zu entwerfen. Auf einer speziellen Internetseite wurde einer seiner Entwürfe - die 102 Meter lange "Fusion" mit einer aerodynamischen Bugform - bereits vorgestellt. "Um mich für Praktika und das Studium zu bewerben, habe ich die Mappe angelegt." Sein Wunsch: ein Studienplatz für Produktdesign in Norddeutschland, in Kiel oder in Hamburg.
Ein Jahr nimmt sich Pilguj jetzt nach dem Abitur aber erst einmal Zeit. Um Praktika zu machen, Erfahrungen zu sammeln. Und um sich dann mit einer noch umfangreicheren Mappe für den Studienplatz zu bewerben. Er scheint nichts dem Zufall überlassen zu wollen. "Ich werde bei einer Yachtzeitschrift hospitieren, aber auch bei einem Yachtdesigner." Und nebenbei jobben, um wieder etwas Geld für weitere Reisen durch Europa zu verdienen. "Fehlen tut mir dann nur noch ein Praktikum bei einer Werft wie Blohm + Voss."
Als sei das alles nicht genug, zieht er dann noch etwas aus seinem Rucksack hervor. Diesmal sind es zwei Bücher. Auch in der Tierfotografie ist der junge Mann nämlich zu Hause, wie sich zeigt. Zwei Fachbücher zum Thema Hund hat er mit seinen Bildern gestaltet - geschrieben wurden die Bände von seiner Mutter. "Das mache ich aber nur so nebenbei. Die großen Yachten, die werden Mittelpunkt meiner Arbeit bleiben."