Irene Neverla, 59, ist Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg
Hamburger Abendblatt: 1. Wie stark hat Rupert Murdoch bisher die Medienlandschaft in Großbritannien beeinflusst, und wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen?
Irene Neverla: Murdoch hat seit Jahrzehnten die britische Medienlandschaft durch Zukäufe unter seine Kontrolle gebracht. Auf der Insel hat man sich an den ruppigen Stil seiner Boulevardblätter, allen voran "The Sun", gewöhnt. Nicht zuletzt, weil dort die Privatsphäre von Prominenten nicht gesetzlich geschützt ist.
2. Sind Politiker und die Medien in Großbritannien derart miteinander verquickt, dass die Kontrollmechanismen nicht mehr funktionieren?
Neverla: Welche Kontrollmechanismen? Es gibt kein Gesetz, das die enge Verbindung zwischen Medien und Politik untersagen kann. Hier helfen nur medienethische Regeln und bei Bedarf der Protestschrei der Öffentlichkeit. Die Abhörpraktiken der "News of the World" hingegen sind eindeutig kriminell.
3. Wird der Skandal Spuren in der politischen Landschaft hinterlassen? Rechnen Sie auf der Insel mit Rücktritten?
Neverla: Rücktritte sind nicht auszuschließen. Premier Cameron gerät jedenfalls stark unter Druck angesichts seiner regelmäßigen Meetings mit Murdoch und dessen Führungskräften.
4 Kann Murdochs Imperium so weiterbestehen, wenn sich der Skandal auch noch in die USA ausweitet?
Neverla: Ein Zeitungstycoon feuert sich nicht selbst. Murdoch wird sich allenfalls aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Denkbar ist aber, dass unter dem Eindruck des Machtmissbrauchs in seinem Imperium der Ruf nach stärkerer Kontrolle von Medienmonopolen wieder lauter wird.
5. Wie gut sind wir in der Bundesrepublik vor solchen Entwicklungen geschützt?
Neverla: Kommerzialisierung und Boulevardisierung der Medienmärkte schreiten auch hier voran, und damit die Gefahr der Verbandelung zwischen Medien und Politik. Das Geschäft "Mehr Aufmerksamkeit für die Politik gegen höhere Auflagen und Reichweiten der Medienunternehmen" bedient sich oft populistischer Diskurse. Die jüngste gemeinsame Griechenland-Schelte vonseiten der Bundeskanzlerin und der Boulevardmedien ist ein Beispiel dafür.