EU braucht eine starke Wirtschafts- und Finanzverfassung
Man mag über "die Märkte" lamentieren: Sie werden nicht aufhören, den Euro und die Stabilität einzelner Mitglieder der Euro-Zone infrage zu stellen. Märkte und Anleger brauchen Klarheit: Wollen wir mehr, weniger oder gar keine europäische Integration in der Währung und in der Politik Europas? Wir sollten weit mehr wollen.
Das Krisenmanagement, das Europa seit mehr als einem Jahr zur Stützung der schwachen Euro-Staaten betreibt, bietet keine Perspektive. Es verschafft der Euro-Zone nicht einmal mehr eine Atempause. Nach Griechenland, Irland und Portugal steht nun Italien ökonomisch infrage. Europa steckt in der Krise, weil es keine Antworten auf drohende Staatspleiten einzelner Mitgliedsländer hat. Aus der Krise aber könnte Fortschritt beim Aufbau einer stärkeren Föderation erwachsen: einheitliche Euro-Staatsanleihen, eine enger koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik und vor allem gemeinsame Anstrengungen, um die schwachen Regionen der EU stark zu machen.
Sollte Griechenland aus dem Euro austreten, wie manche Ökonomen dies fordern? Keineswegs. Denn weder löste eine Rückkehr zur griechischen Drachme die Schuldendramatik und andere Probleme des Landes. Noch stärkte sie die Legitimation der europäischen Politik. Warum sollte Italien mit seinem wirtschaftlich unterentwickelten Süden, warum sollten Portugal und Spanien Mitglied im Euro-Raum bleiben? Und warum sollte die Union Staaten wie Rumänien oder Bulgarien auf dieses Ziel hinführen? Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro würde zeigen, dass die Gemeinschaft schon bei ihrer ersten ernsthaften Prüfung in die Knie ginge.
Asien mit China und Indien als Kraftzentren hat genügend Schwung, sich in einiger Zeit vor allem um sich selbst kümmern zu können. Asien wird Europa kaum mehr brauchen, schon deshalb nicht, weil wir außer Wissen keine Rohstoffe besitzen. Und dieses Wissen eignen sich die Asiaten gerade selbst an. Die USA wenden sich vom Atlantik ab und dem Pazifik zu. Auch für sie verliert Europa an Bedeutung.
Soll das Ziel eines einigeren Europas gerade jetzt verloren gehen? Die Europäische Union ist die freieste und modernste Region der Welt. Winzig ist der Preis für die Sanierung der Euro-Zone, gemessen an den Leistungen, die Menschen bis heute für den Traum von Europa erbracht haben. Winzig ist auch der Preis für die Lebensqualität, die uns ein starkes Europa bietet.