Ingrid Breckner ist Professorin an der HafenCity-Universität Hamburg
Hamburger Abendblatt: 1. Ein Trendforscher hat prognostiziert, die meisten Geburten werde es künftig in den wohlhabenden Stadtteilen geben und in den besonders benachteiligten. Ist diese Prophezeiung aufgegangen?
Ingrid Breckner: Nicht ganz. Die großen Haushalte sind Familien, die einkommensmäßig nicht so gut ausgestattet sind. Je stärker der Wohlstand steigt, desto geringer wird die Kinderzahl. Das hängt damit zusammen, dass Kinder nicht mehr der Alterssicherung dienen, sondern die Eltern investieren ihr Geld in die Ausbildung weniger Kinder.
2. Wächst Hamburg aus sich heraus durch mehr Kinder, oder ist das Bevölkerungsplus vor allem auf Zuzüge zurückzuführen?
Breckner: Der stärkste Wachstumsbringer sind die Universitäten. Deshalb sollte sich die Stadt um die Unis kümmern. Junge Paare und Familien bleiben nach der Ausbildung häufig in der Stadt, denn hier haben sie ihre Netzwerke geknüpft. Bislang konnte man an den Daten sehen, dass es die Familien an die Ränder der Stadt treibt, weil die Wohnkosten niedriger sind. Doch gerade die jungen Familien würden gerne in zentraleren Lagen wohnen. Bei den anstehenden Großprojekten sollte Hamburg darauf achten, dass Wohnraum für Familien entsteht, der bezahlbar ist.
3. Was fehlt Hamburg zu einer Atmosphäre für eine kinderfreundliche Stadt im Sinne der potenziellen Eltern, die vor der Entscheidung stehen, eine Familie zu gründen?
Breckner: Das Hauptargument, das wir erhoben haben, ist der bezahlbare Wohnraum. Bis in die 90er-Jahre war nur ein Viertel der Wohnungen größer als 90 Quadratmeter. Größere Wohnungen wurden fast nur als Eigentum gebaut. Das können sich junge Paare ohne Erbschaft nicht leisten. Die bekommen einfach keinen vernünftigen Kredit bei der Bank.
4. Ist das Elterngeld der richtige Hebel gewesen, um die Geburtenrate zu steigern?
Breckner: Meiner Ansicht nach nicht. Junge Eltern denken über mehr als das nach. Immerhin hat das Elterngeld dazu beigetragen, dass sich mehr Männer an der Kindererziehung beteiligen.
5. Was könnte ein Anreiz zur Familiengründung sein?
Breckner: Meine Mitarbeiterin hat ein Kind und sagt, sie wünscht sich differenziertere Angebote. Sie könnte für die Kita einen höheren Beitrag leisten, wenn andere im Monat vielleicht nur 50 Euro zahlen müssten. Hamburg braucht vor allem in der Kinderbetreuung Angebote, die passgenauer sind. Bis hin zu Kinderhotels, flexiblen Öffnungszeiten von Kitas und kinderfreundlicheren Arbeitsplätzen muss die Stadt für die unterschiedlichen Situationen von Eltern mehr bieten.