Der Coach des Oddset-Pokalsiegers ETV trat mit seiner Mannschaft aus dem Verein aus. “Wir fühlen uns verraten und erpresst“, sagt er.

Hamburg. Er gilt als aufstrebender Trainer in der Hamburger Fußballszene. Dennis Mitteregger schaffte es, in den vergangenen Jahren beim Eimsbütteler TV aus einer jungen Kreisligamannschaft eine gestandene Landesligatruppe zu formen, die als Höhepunkt vor wenigen Wochen den Oddset-Pokal gewann. Die Spieler träumten von Bayern München und Borussia Dortmund als Erstundengegner im DFB-Pokal. Es wurde zwar "nur" Zweitligist Greuther Fürth, dennoch war die Vorfreude groß.

Doch drei Wochen nach der Sensation ist es zum Skandal gekommen. Und am Ende gibt es viele Verlierer. Der Verein ETV, der einen großen Imageschaden erlitten hat. Die Mannschaft, die sich selbst um den verdienten Lohn gebacht hat. Und Trainer Mitteregger, dessen guter Ruf zunächst einmal arg gelitten hat. "Mein Ruf ist mir total egal", sagte der schwer enttäuschte Übungsleiter am Tag nach der Entscheidung, mit seinem Team geschlossen aus dem Verein auszutreten. Die Fronten sind total verhärtet. Auf der einen Seite Mannschaft und Trainerstab, die sich vom Verein nicht für das Geleistete gewürdigt fühlen und mehr als 50 Prozent der Einnahmen für das Erreichen des DFB-Pokals für sich beansprucht. Auf der anderen Seite der Gesamtverein, der sich von der Mannschaft nicht erpressen lassen will.

"Der Verein war von Anfang an nicht verhandlungsbereit", sagte Mitteregger dem Abendblatt: "Wir fühlen uns verraten. Die Mannschaft spielt seit Jahren unter Marktwert. Es wäre die Chance gewesen, die Spieler zu belohnen". Die Entscheidung, aus dem Verein auszutreten, soll alleine die Mannschaft entschieden haben. Unter Tränen haben einige Akteure ihre Austrittserklärung abgegeben. "Ich gehe aus reinem Idealismus", sagt Mitteregger, dem Insider zutrauen, irgendwann eine Drittligamannschaft zu trainieren. Wohin der Weg des Studenten jetzt geht, scheint noch völlig offen. Eine Kehrtwende zurück und ein Verbleib beim ETV ist ausgeschlossen. Stand jetzt.

Der Verein plant indes bereits die Besetzung für das anstehende DFB-Pokalspiel Ende Juli gegen Greuther Fürth. Sie soll aus Spielern der zweiten Mannschaft, die gerade in die Kreisliga abgestiegen ist, und A-Jugend-Spielern rekrutiert werden. Für den Verbleib in der Landesliga wird diese Mischung aber nicht reichen. (jac/misch)

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Was ist passiert? Am 1. Juni besiegte der ETV im Finale des Hamburger Pokalwettbewerbes den SC Vorwärts / Wacker 04 Billstedt mit 1:0. In der ersten Runde des DFB-Pokals wurde ihnen Greuther Fürth zugelost. So weit, so gut – doch wer am letzten Juli-Wochenende gegen den Zweitligisten auflaufen soll, steht derzeit in den Sternen. Die komplette erste Mannschaft inklusive des Trainerstabs ist geschlossen zum 30. Juni aus dem Verein ausgetreten.

Es geht natürlich ums Geld. Aufsichtsrat und Vorstand des ETV hatten sich auf eine Teilung der bereits feststehenden Pokal-Einnahmen in Höhe von rund 110.000 Euro geeinigt: 50 Prozent an die Fußballabteilung, 50 Prozent zur Finanzierung eines geplanten Kunstrasenplatzes. Das hätte bedeutet, dass jeder Spieler etwas mehr als 2000 Euro bekommen würde – zu wenig, wie die Mannschaft befand, die daraufhin geschlossen aus dem Verein austrat. Aufsichtsrat und Vorstand wollten keine höheren Angebote vertreten. „Der Verein darf und wollte sich nicht erpressen lassen“, hieß es in einer Mitteilung des Hamburger Stadtteil-Klubs.

„Mein Herz ist eigentlich bei der Mannschaft, weil ich viele der Spieler seit der Jugend kenne und ich habe auch Verständnis dafür, dass sie eine Belohnung für ihre tolle Leistung verdienen“, sagt ETV-Aufsichtsratsmitglied Peter Clasen. „Aber die für einen Verein notwendige Solidarität mit den anderen immerhin 51 Fußballmannschaften ist bei den jetzigen Forderungen nicht berücksichtigt worden. Der Kunstrasen kommt schließlich allen zugute.“ Clasen, der lange Jahre Fußball-Abteilungsleiter beim ETV war, hält das Vereins-Angebot „für mehr als angemessen. Die Forderungen hingegen sind maßlos. Das ist für mich persönlich die größte Enttäuschung in 52 Jahren beim ETV“.

Die Mannschaft dagegen fühlt sich verraten. Die meisten Spieler bekommen kein Geld vom Verein und hatten nun auf den großen Zahltag gehofft. „Dieser Kompromiss ist lächerlich“, sagte Trainer Dennis Mitteregger dem „Hamburger Abendblatt“. „Wir fühlen uns verraten. Jetzt wäre die Chance gewesen, die Mannschaft für ihren Einsatz zu entlohnen.“ Mitteregger sucht nun einen Verein, der die komplette erste Mannschaft plus Trainerstab aufnimmt.

Man habe sich nicht erpressen lassen können und wollen, sagte auch der ETV-Vorsitzende Frank Fechner, schließlich habe der Verein in den vergangenen Jahren im Rahmen seiner Möglichkeiten sehr viel für die Mannschaft getan, damit sie sich im Klub wohlfühle. "Wir haben in diesem Fall alles ausgeschöpft, was die Satzung eines gemeinnützigen Vereins erlaubt."

„Wir haben dem Verein viel eingebracht und über einen langen Zeitraum unglaublich viel investiert. Und am Ende stehen wir vor einer Erpressung“, sagte Mitteregger dem Internetblog "Blog trifft Ball". Die erste Pokalrunde gegen Greuther Fürth wird er mit seiner Mannschaft nicht erleben: „Ein Lebenstraum ist futsch.“

Denn eine Lösung der Situation erscheint vollkommen aussichtslos: „Wir werden der Mannschaft definitiv nicht weiter entgegenkommen“, stellt Clasen klar. Notfalls will man Ende Juli Spieler aus der A-Jugend und der zweiten Mannschaft hochziehen. Ein Trainerteam gibt es allerdings noch nicht. Talentierte Fußballer und ambitionierte Trainer, die sich mit einem Zweitligisten messen wollen, haben also derzeit guten Grund, sich beim Eimsbütteler TV zu bewerben. (dapd/abendblatt.de)