Hamburgs Erster Bürgermeister verteidigt den Verbleib des umstrittenen Buch-Autoren in der SPD: „Vorgehen ist vernünftig“.

Hamburg. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verteidigt den Verbleib des umstrittenen Buch-Autoren Thilo Sarrazin in der Partei. Dem Hamburger Abendblatt sagte Scholz, Sarrazin habe ausführlich Stellung auf die Vorwürfe gegen ihn bezogen. „Sarrazin hat eine weitreichende Erklärung abgegeben. Diese durften die antragstellenden Parteigliederungennicht ignorieren – zumal mit der Erklärung die vom SPD-Parteivorstandgeforderten politischen Klarstellungen erfolgt sind“, sagte Scholz. „Das Vorgehen ist daher vernünftig.“

Kreis- und Landesverband sowie die Bundes-SPD hatten ihre Anträge auf Ausschluss überraschend zurückgezogen. Vorausgegangen war eine Erklärung des früheren Politikers und Bundesbankers, wonach er keine sozialdemokratischen Grundsätze verletzen oder Migranten diskriminieren wollte. In der Partei regt sich allerdings massiver Widerstand gegen die schnelle Einstellung des Parteiausschlussverfahrens. Die Kritiker werfen der Parteispitze vor, eingeknickt zu sein. (HA)

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Nahles verteidigt Verbleib Sarrazins in SPD: "Kein Deal"

Die einen sprechen von einem taktischen "Deal", andere sehen in der Entscheidung der Schiedskommission eine faires Verfahren. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat die Entscheidung zum Verbleib des umstrittenen Politikers Thilo Sarrazin in der Partei gegen innerparteiliche Kritik nun noch einmal verteidigt. Der frühere Berliner Finanzsenator habe sich vor der Schiedskommission, die über seinen Parteiausschluss entscheiden sollte, von seinen umstrittenen Thesen zur Integration muslimischer Zuwanderer distanziert, sagte Nahles dem Deutschlandfunk. Sarrazin habe in der Sitzung am Gründonnerstag „seine sozialdarwinistischen Äußerungen relativiert, Missverständnisse klargestellt und sich von diskriminierenden Äußerungen distanziert“, sagte sie.

Nahles bestritt, dass taktische Überlegungen bei der Entscheidung über Sarrazins Verbleib in der SPD eine Rolle gespielt hätten. „Es handelt sich auch nicht um einen Deal, um das klar zu sagen, sondern um ein Schiedsverfahren“, das sich an den einschlägigen Rechtsvorschriften orientiert habe, sagte die SPD-Politikerin. Sarrazin habe in der Sitzung eine „weit reichende Erklärung“ abgegeben, die eine Abkehr von seinen zuvor vertretenen Positionen habe erkennen lassen. Es sei „einiges passiert“ in der fünfstündigen Sitzung, sagte Nahles dazu.

Mit seinen distanzierenden Äußerungen habe sich Sarrazin „wieder auf den Boden der Meinungsfreiheit in der Partei begeben“. Zwar mache sich die SPD-Führung Sarrazins Ansichten nicht zu eigen, doch müsse eine demokratische Partei abweichende Meinungen aushalten. Nahles wies zudem darauf hin, dass die rechtlichen Hürden für einen Parteiausschluss hoch seien: „Man kann nicht einfach jemanden rauswerfen, auch wenn er sich noch so kontrovers verhält.“

Die SPD-Spitze hatte am Gründonnerstag überraschend ihren Ausschlussantrg gegen Sarrazin zurückgezogen. Zuvor hatte dieser in einer persönlichen Erklärung versichert, er habe weder Migranten diskriminieren noch sozialdemokratische Grundsätze verletzen wollen. Nahles hatte in dem Ausschlussverfahren die Parteispitze vertreten. Zahlreiche SPD-Politiker hatten Sarrazins Verbleib in der Partei kritisiert. (AFP)