Thilo Sarrazin bleibt in der SPD. Die Partei-Spitze verteidigt den Rückzug des Ausschlussverfahrens, die Basis und SPD-Linken kritisieren dies.
Berlin. Während aus den eigenen Reihen scharfe Kritik kommt, verteidigt die Spitze der SPD den Verbleib Thil Sarrazins. Das Ausschlussverfahren gegen den Politiker war am Donnerstag eingestellt worden. Generalsekretärin Andrea Nahles sagte zu der Entscheidung, die Anträge auf Parteiausschluss zurückzuziehen: "Wir haben dies in gemeinsamer Verantwortung für die SPD getan.“ Die SPD-Linken und die Basis kritisieren diesen Schritt scharf.
Thilo Sarrazin sicherte zu, dass er sich künftig an die Grundsätze der Partei halten wird. Daraufhin hatten die Bundes-SPD und drei weitere Antragsteller ihre Anträge auf Ausschluss des 66-Jährigen zurückgenommen. Zudem akzeptierte Sarrazin vor der Schiedskommission des zuständigen Berliner Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf eine Erklärung, die ihm das Gremium vorgeschlagen hatte. Nahles sagte der Zeitung "Die Welt" "Wir hatten am Donnerstag eine lange Verhandlung vor der unabhängigen Schiedskommission“, sagte Nahles der Zeitung "Die Welt“ (Sonnabendausgabe). "Die Kommission hat am Ende dann einen Vorschlag für eine Erklärung von Thilo Sarrazin vorgelegt und er hat diese angenommen.“
Der frühere Berliner Finanzsenator hatte in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab“ die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Muslimen beklagt. Die Anträge auf Parteiausschluss bezogen sich vor allem auf seine Äußerungen zu genetischen Eigenschaften bestimmter Volksgruppen. Wegen der umstrittenen Thesen hatte Sarrazin auch seinen Posten als Vorstandsmitglied der Bundesbank verloren.
In der Erklärung heißt es nun: "Mir lag es fern, in meinem Buch Gruppen, insbesondere Migranten, zu diskriminieren.“ Er denke nicht, dass manche Gruppen "etwa aus genetischen Gründen nicht integriert werden könnten“. Sarrazin betonte zudem, er habe "keine selektive Bevölkerungspolitik verlangt“. Sarrazin sagte zu, bei künftigen öffentlichen Auftritten "nicht mein Bekenntnis zu den sozialdemokratischen Grundsätzen in Frage zu stellen oder stellen zu lassen“.
SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner kritisierte Sarrazins Verbleib in der Partei. "Inakzeptabel bleibt der intolerante Stuss, mit dem Thilo Sarrazin neuerdings reichlich Geld verdient“, sagte er zu "Spiegel Online“. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Veit sprach von "großer Enttäuschung“. Sarrazin habe der Integration in Deutschland schweren Schaden zugefügt, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel“ (Sonnabendausgabe).
Kritik kam auch von Juso-Chef Sascha Vogt. "Ressentiments und Rassismus haben in der SPD nichts zu suchen“, sagte er der Zeitung "Die Welt“ (Sonnabendausgabe). Vogt kritisierte auch das Vorgehen der SPD-Spitze. Der gesamte Parteivorstand habe den Ausschluss Sarrazins beschlossen. "Es kann nicht sein, dass dieser Antrag ohne eine Beratung weder in Vorstand noch Präsidium zurückgenommen wird“, sagte Vogt.
Auch an der Berliner SPD-Basis gibt es nach einem Bericht des Berliner "Kurier“ (Sonnabendausgabe) heftige Kritik. Der SPD-Chef des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Jan Stöß, sagte dem Blatt: "Zehn Mitglieder haben mir bereits per E-Mail ihren Parteiaustritt angekündigt.“ Der Spandauer SPD-Chef Raed Saleh sagte: "Diese Entscheidung ist für mich nicht nachvollziehbar.“
In einer Umfrage des Instituts Infratest Dimap plädierten 60 Prozent für den Verbleib Sarrazins in der SPD, nur 25 Prozent waren für einen Ausschluss. Infratest Dimap befragte für die Zeitung "Die Welt“ im Vorfeld der Anhörung vor der Schiedskommission 1000 Bürger. (abendblatt.de/afp)