Viele Kinder essen häufiger im Kindergarten als zu Hause. Ob frisch gekocht oder fertig geliefert wird, entscheiden die Einrichtungen.
Hamburg. Die Mutter mit Kochschürze, die ihre Kinder nach dem Kindergartenvormittag mit einem frisch gekochten Essen empfängt, gibt es immer seltener. Dafür gibt es in vielen Hamburger Kindertagesstätten Frauen wie Marion Claus. Sie ist Chefköchin in der Kita Die Urmeli's in Rahlstedt. Heute hat sie mit ihren Mitarbeitern für die 196 Kinder goldgelbe Kartoffeln gekocht und sechserlei Gemüse mit Käsesauce. Als Nachtisch gibt es Kinder-Tiramisu.
Da die Ernährungsgewohnheiten bereits in den ersten Lebensjahren geprägt werden, übernehmen die 1002 Kindertagesstätten in Hamburg eine wichtige Rolle. Der Vorfall in der Kita St. Petri, wo am Dienstag acht Kinder bislang ungeklärte Hautrötungen und ein Kind eine Schwellung am Auge erlitten hatten, haben das Thema Kita-Essen in den Blickpunkt gerückt. "Es ist ein sehr außergewöhnlicher Fall", sagt Dörte Frevel, zuständig für Ernährung bei der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung, über die ungewöhnlichen Reaktionen nach dem Genuss von Käsespätzle mit Tomatensauce. Grundsätzlich könnten Eltern davon ausgehen, dass das Essen in den Kitas an den Bedürfnissen von Kindern ausgerichtet ist. "Es gibt in Hamburg eine Reihe von Lieferanten, die Standards einhalten", sagt Frevel. An den "Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder", die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. herausgegeben hat, würden sich diese Anbieter orientieren, sagt Frevel. "Sie sind dazu nicht verpflichtet, es sind Anregungen." Dazu gehören Speiseeplanvorschläge, Nährwertangaben und auch Rezepte.
Ob frisch gekocht oder das Essen fertig geliefert wird, entscheidet jede Kita oder jeder Kita-Träger selbst.
In der Kindertagesstätte an der Bucerius Law School in der Neustadt wird das Essen für die 38 Kinder fertig angeliefert. Allerdings ausschließlich in Bio-Qualität. "Es ist betriebswirtschaftlich nicht leistbar, selbst zu kochen. Wir haben hier auch nur eine Teeküche", sagt die Leiterin Karin Buss. "Das Essen ist wirklich sehr gut, wir Erwachsenen essen das auch jeden Tag", sagt sie.
"Die Kitas bekommen von der Stadt Geld für das Essen und können danach selbst entscheiden, wie sie es ausgeben möchten", sagt Julia Seifert, Sprecherin der Sozialbehörde. Für jedes Kind, dessen Eltern eine Betreuungsform mit Essen gewählt haben (fünf Stunden und mehr), erhalten die Kitas gut 100 Euro im Monat pro Kind. Der Eigenanteil der Eltern liegt für Kinder im Elementarbereich bei 21 Euro im Monat, für Hortkinder bei 42 Euro. Geringverdiener bezahlen mit 17 oder 21 Euro (Hort) auf Antrag entsprechend weniger.
Durch den Paragrafen 10 "Ernährung und Gesundheitsvorsorge" im "Landesrahmenvertrag Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen" ist geregelt, dass die Kinder mit einem warmen Mittagessen sowie mit ausreichend Getränken (Wasser oder ungesüßten Tees) versorgt werden. "Viele Träger geben zum Beispiel nicht alles Geld für das Mittagessen selbst aus, sondern bieten den Kindern zwischendurch lieber noch Kleinigkeiten wie Obst oder Joghurts an", sagt Seifert. Außerdem sei es in den meisten Kitas üblich, dass die Kinder gemeinsam frühstücken. "Auch dabei gibt es verschiedene Formen, die von selbst mitgebrachtem Frühstück über von Eltern organisierte Frühstückbüfetts bis hin zu von der Kita zur Verfügung gestelltem Essen reicht, das in einigen Kitas über einen Extra-Beitrag bezahlt wird, in anderen nicht", so die Sprecherin der Sozialbehörde.
In den 178 Kitas der "Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten gGmbH" werden täglich 23 000 Kinder betreut. "Wir haben in jeder Kita eigene Profiküchen, in denen täglich schmackhaftes und kindgerechtes Essen frisch gekocht wird", sagt die Sprecherin Katrin Geyer. "Durchschnittlich und abhängig von der Größe der Kita kosten die Mahlzeiten 4,50 Euro pro Tag und Kind. Bio-Kost wird in 40 Prozent unserer Kitas angeboten." Nur in absoluten Ausnahmefällen werde auf Caterer zurückgegriffen. Eine eigene Ökotrophologin berate die Kitas, sagt Geyer.
Dass Essen mehr ist als reine Nahrungsaufnahme, betont auch Martin Peters, Referent für Kindertagesbetreuung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg, der 280 Kitas in Hamburg vertritt. "Frisch gekochtes Essen ist das Beste, das ist unstrittig", sagt er. "Kinder nehmen wahr, wenn jemand aus einer Möhre einen Salat macht, wenn die Kochdüfte durch die Räume ziehen. Sie merken auch, da ist ein Mensch, der für sie kocht." Viele Kitas arbeiteten jedoch mit Convenience-Produkten wie geschälten und geschnittenem Gemüse, fertig portioniertem Salat, Tiefkühlgerichten. "Derzeit wird noch in etwa der Hälfte der Hamburger Kitas frisch gekocht, aber der Trend geht dahin, das Essen vom Caterer liefern zu lassen", sagt Peters. Eine falsche Entwicklung, findet er.
In der Kita Die Urmeli's kommt das Fleisch vom Biobauern, Gemüse wird dreimal wöchentlich frisch geliefert. Die professionell ausgestattete Küche bildet das Herzstück des Kita-Gebäudes - gesunde Ernährung und Esskultur sind eine tragende Säule des Kita-Konzeptes. "Wir legen viel Wert darauf, unseren Kindern gutes Essen anzubieten", sagt Kita-Leiter Rolf Tournier. Die Speisen werden auf den Punkt gekocht - für jede einzelne der drei Schichten, in denen die Kinder hier essen. "So müssen die Mahlzeiten nicht warm gehalten werden, die Vitamine bleiben erhalten und die Speisen sind frisch", ergänzt Ökothrophologe Hilmar Upleger, der bei den Urmeli's und den anderen Kitas der Rudolf-Ballin-Stiftung zuständig für die Kontrolle von Gar- und Kühltemperaturen oder den Wareneingang ist.
Doch die Kinder sollen hier nicht nur gesund essen, sondern sich auch mit der Zubereitung von Essen beschäftigen: Ein- bis zweimal pro Woche gehen sie mit den Erziehern in die "Kinder-Küche", wo sie Pfannkuchen, Obstsalat oder Nudeln mit Sauce zubereiten.
"Wenn Kinder früh den Genuss am Essen und den Spaß am Umgang mit frischen Lebensmitteln lernen, sinkt ihre Bereitschaft, sich später von Ungesundem zu ernähren", sagt Upleger. Somit würden sich die höheren Kosten, die durch das Selberkochen in einer Kita entstehen, langfristig volkswirtschaftlich rechnen - das Risiko, dass die Kinder übergewichtig werden, sei viel geringer. Auch Esskultur wird den Urmeli's beigebracht: mit Messer und Gabel zu essen, nicht aufzustehen und nicht laut zu sein. Und wirklich: Die fast 50 Kinder, die sich pro Schicht im Speiseraum befinden, sind diszipliniert, unterhalten sich ruhig und haben sichtlich Spaß am leckeren Essen.
Torsten Fröhling sieht die Kinder, für die er das Essen liefert, nie. Der Betriebsleiter der "Kreativen Gemeinschaftsverpflegung" bereitet mit etwa 20 Mitarbeitern jeden Tag an die 1800 Essen für Kitas, Schulen und Firmen zu. "Es ist eine Herausforderung, jeden Tag einen Essensplan zu erstellen - mit Speisen, die den Kindern schmecken, den Eltern gesund genug sind, und den Erziehern nicht zu viel Arbeit bereiten", sagt er. Seine Ware ist größtenteils aus biologischem Anbau, das Fleisch bezieht er aus Kostengründen von konventionellen Anbietern aus der Region. Wie auch Marion Claus bei den Urmeli's nimmt er von jedem Essen eine "Rückstellprobe". Die wird eingefroren und dient bei Vorfällen wie in der Kita St. Petri zur Kontrolle. Fröhlings Betrieb befolgt die US-Qualitätssicherungsstandards HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points).
Auch Anna Ketesidou nimmt es mit den Standards ganz genau. Die bilinguale Kita an der Bucerius Law School leistet sich die Hauswirtschaftshelferin vier Stunden pro Tag. Vor dem Servieren misst sie die Temperatur der Gemüsesuppe mit Rindfleisch. Gegen zehn Uhr wurde das Essen wie jeden Tag vom Öko-Caterer Wackelpeter in Thermobehältern gebracht und seither warm gehalten. Anna Ketesidou deckt die Tische und portioniert das Essen für die Krippenkinder. Wer noch nicht gut kauen kann, bekommt sein Essen von ihr püriert. "Nudeln mögen sie gern und Suppe", sagt sie lächelnd und wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab.