Zum Hamburger Presseball gibt es eine Historie und viele Geschichten. 1901 wurde das gesellschaftliche Großereignis zum ersten Mal gefeiert.
Hamburg. Wetten, dass sich in den 80er-Jahren schon Thomas Gottschalk mit seiner Thea auf diesem Parkett bewegt hat? Auch Filmstar Zarah Leander bezauberte schon auf dem Presseball die Hamburger – und einen ganz besonders: Dem Schwergewichtsweltmeister Max Schmeling drückte die zarte Filmdiva zur Begrüßung ein Küsschen auf. Das war 1955.
Ja, die Gästeliste des Hamburger Presseballs las sich schon immer wie ein Promi-Lexikon: Loki und Helmut Schmidt, Inge Meysel, Heidi Kabel, Lilo Pulver, Verleger Axel Springer und Ehefrau Friede, Dunja Rajter und „Bond-Bösewicht“ Curd Jürgens, Maria Schell, Witta Pohl, Peter Scholl-Latour, Hanns Joachim Friedrichs – sie alle, um nur einige zu nennen, tanzten hier schon durch die Nacht. Man mag sich – eins, zwei, tep – drehen und wenden, wie man will: Der Hamburger Presseball ist der Höhepunkt der hanseatischen Ballsaison, er steht für Glanz und Glamour, für erlesene Gäste und ebensolche Gastronomie. Und das war schon 1901 so.
„So etwas hat Hamburg noch nicht gesehen“, titelte das „Hamburger Fremdenblatt“ über diesen allerersten Presseball, der damals noch „Ball für die Schriftsteller und Bühnenkünstler“ hieß und bei „Sagebiel“ an der Drehbahn gefeiert wurde. Natürlich berichtete die Zeitung nicht, wie heute, noch in derselben Nacht über das gesellschaftliche Großereignis – erst drei Tage später waren die Geschichten aus der Nacht der Nächte zu lesen. Ob es damals auch Paare gab, die es leider nicht in den Festsaal, sondern nur auf die Warteliste geschafft hatten, ist nicht überliefert. Dafür dies: Bei der Ankunft stauten sich die Pferdekutschen derart, dass die Schlange bis zur Hauptpost an der Dammtorstraße gereicht haben soll.
Nach dem Ersten Weltkrieg zog die Veranstaltung, die bis dahin nur alle zwei Jahre ausgerichtet worden war, ins Curiohaus an der Rothenbaumchaussee um. Dort bewiesen die Medienmacher von der Elbe während der „Goldenen Zwanziger“, dass sie mindestens so mondän feiern können wie der große Gatsby und seine Clique aus F. Scott Fitzgeralds berühmtem Roman. So waren beispielsweise 1925 die Balustraden des Weißen Saals im Curiohaus mit lebensgroßen Karikaturen der bekanntesten Hamburger Journalisten geschmückt, in den Gängen krächzten Papageien (!), und um alle Lampen herum war Zeitungspapier drapiert worden. Eine Idee mit Ausstrahlung.
Am 4. März 1950, nach elf Jahren Pause, zog der Presseball erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder die Besucher in den Bann und die Tanzpaare aufs Parkett. Und zwar im Hotel Atlantic, das erst wenige Wochen zuvor von den britischen Besatzungsbehörden für deutsche Gäste freigegeben worden war. „Jung waren an diesem Abend alle 1500 Gäste“, jubelte der Reporter des Hamburger Abendblatts. Es sei getanzt worden, bis die Sohlen glühten, heißt es. Sogar der damalige Senator – und spätere Superminister – Karl Schiller habe den Schweißperlen seine Stirn geboten.
Für eine der amüsantesten Anekdoten hatte aber Bürgermeister Max Brauer gesorgt. Bei der Tombola, traditionell ein Höhepunkt des Abends, hatte der Sozialdemokrat einen schmucken Damenregenschirm gewonnen. Als eine Dame dem Bürgermeister anbot, den Schirm gegen einen Rasierapparat zu tauschen, lehnte Max Brauer ab. Der Grund: Man könne schließlich in der Hansestadt nie wissen, ob es nicht doch noch anfange zu regnen…
Übrigens zeigte sich nicht nur der jeweilige Bürgermeister gern auf dem Ball, auch andere Politiker bewiesen auf dem Presseball mit Freude Taktgefühl „Am Tanzparkett fand zwanglos eine kleine Senatssitzung statt“, schrieb das Abendblatt 1954. Es muss in jedem Fall ausreichend Platz gegeben haben. In der Zeitung „Die Welt“ hieß es zwei Jahre später: „Von Anfang an: Der Ball war überfüllt.“
Und tatsächlich kämpften die Ballgäste darum, einen Platz zu ergattern – Reservierungen wurden nämlich erst im Jahr 1957 eingeführt. Und zwar durch den Oberkellner des Hotels Atlantic. Am Abend vor dem Ball soll er seinen Notizzettel genommen und sich für einige Stunden zurückgezogen haben, um die Plätze zu verteilen. Ob man berücksichtigt wurde, so wurde gemunkelt, soll auch sehr von der Höhe des Trinkgeldes abhängig gewesen sein…
In den wilden 60er-Jahren muss es dann ganz heiß hergegangen sein auf dem Ball. Zu den Klängen des Karnevalsschlagers „Humba, humba täterä“ soll so manche Königin der Nacht auf den Tischen getanzt haben. Nein, es muss nicht immer Walzer sein. Doch später ging es dann wohl wieder etwas gesitteter zu.
Von 1974 bis 1994 hatte der Presseball ein Gastspiel im CCH, wo teils mit bis zu 3000Gästen gefeiert wurde. 1995 kehrte das gesellschaftliche Großereignis unter dem Motto „Medien, Macher, Musen“ ins Hotel Atlantic zurück, wo an diesem Abend auch der 62. Hamburger Presseball steigt. Wie immer, mit vielen bekannten Medienmachern und Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung.
Doch wie bewegt sich der Presseball weiter, in welchem Rhythmus wirbelt man künftig übers Parkett? Tja, vielleicht feiern Blogger und Journalisten die 100. Ballnacht der Medien 2049 in der dann soeben eröffneten Elbphilharmonie mit Blick über den Hafen, während die Feier natürlich live im Internet zu sehen sein wird. So könnten dann womöglich weit mehr als 100000virtuelle Gäste für einen Besucherrekord sorgen. Als Stargäste sind Benjamin Gwildis, die Otto-Waalkes-Revival-Band und Musik-Legende Udo Lindenberg denkbar. Und natürlich stünden an allen Plätzen Laptops und Blog-Spots zur Verfügung.
Tja, und wer eine Dame zum Tanz auffordern möchte, der schicke ihr einfach eine E-Mail. Betreffzeile: „Darf ich bitten?“ – die Frage aller Ballfragen. Um die ging es schon 1901. Und anders als manches Ballkleid wird sie wohl nie aus der Mode kommen.