Die Entertainerin und Kultsängerin der Norddeutschen singt beim Presseball. „Ich kann Walzer tanzen und Freestyle“, sagt die 45-Jährige.

Hamburg. Sie singt, moderiert, schnackt platt. Ja, Ina Müller, das energiegeladene Allroundtalent. Die Kultsängerin der Norddeutschen. Ihr sieht man sogar einen sechsjährigen Ausflug nach München und Schwärmereien für den FC Bayern nach und stuft es als jugendlichen Leichtsinn ein. Schließlich schlägt ihr Herz jetzt für den HSV, für was sonst? Die Entertainerin ist der beste Beweis, dass wir im Norden vieles sind – nur nicht dröge.

Ina Müller ist ein Phänomen. Gelingt ihr doch regelmäßig ein Kunststück: Sie polarisiert mit ihrer lauten Art, und genau dafür liebt sie das Volk. Betritt sie einen Saal, bringt mit heiserer Stimme ihre Sprüche über Orangenhaut und das überschaubare Sexleben als „Best Ager“, dann lacht das Publikum nicht nur. Es liegt ihr zu Füßen.

So wird es auch heute Abend wieder sein. Einfach, weil sie so ist, wie sie ist: Die Ina von nebenan, die Frau mit dem Allerweltsnamen. Der beste Kumpel, mit dem man in der Kneipe um die Ecke beim Bier über Sinn und Unsinn des Lebens schwadronieren kann. Die sogar etwas von Fußball versteht.

Heute ist sie als Stargast zum Presseball geladen, präsentiert Bewährtes auf Platt und Hochdeutsch. Stücke ihres neuen Albums sind nicht dabei. „Das wäre dein Lied gewesen“ heißt es (Veröffentlichung: 18. Februar). Und Ina Müller bleibt sich treu: Sie singt über Gedanken und persönliche Empfindungen. Das hat sie schon immer gemacht. Vermutlich, weil sie gar nicht anders kann, als authentisch zu sein. Deshalb heißt ihre vom NDR produzierte Sendung auch „Inas Nacht“. Der Name ist Programm im Schellfischposten, einer Kneipe am Fischmarkt, die einen ähnlichen Kultstatus wie „Dittsches“ Grillimbiss am Eppendorfer Weg erreicht hat. „Ich darf all das tun, was mir Spaß macht: reden, trinken, Musik machen“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ als Grund, warum es für sie schwierig sei, ein weiteres Fernsehformat für sich zu finden. Bei der Verleihung des deutschen Fernsehpreises im Jahr 2008 hat sie in ihrer Dankesrede diesen Satz wiederholt. Doch klang es da viel mehr nach Ina Müller. „Sabbeln, saufen und singen“ sei ihr Erfolgsgeheimnis. Punkt. Das sagte sie übrigens an jenem denkwürdigen Abend, an dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki beschloss, seinen Ehrenpreis abzulehnen. Sicher ein reiner Zufall.

Die 45-Jährige könnte man als „freche Göre“ bezeichnen. Eine Frau mit, neuerdings, raspelkurzen blonden Haaren, die jeden Gast ohne Umschweife duzt und mit ihm über Intimrasuren und andere Dinge weit unterhalb der Gürtellinie spricht. Das lässt ihr Gegenüber zuweilen rot anlaufen und verlegen lächeln, während der Shantychor im Schellfischposten einen Tusch anstimmt. Und wenn es so kommt, dann grinst Ina Müller und feixt. Dann ist es ein Abend nach ihrem Geschmack: Kurzweilig und ehrlich, manchmal bis zum Rande der Respektlosigkeit. So ist die eine Seite der Ina Müller. Die andere ist weicher, einfühlsamer, charmanter. „Ich bin ein relativ unsicherer Mensch und sehr emotional“, sagte sie einmal dem Abendblatt. Davon zeugen einige Songtexte, die ein neues Bild von der Entertainerin zeichnen. Oder, treffender ausgedrückt, das Bild des lauten, derben, ewigen Mädchens vom Lande um die Facette einer Frau mit reichlich Lebenserfahrung komplettieren.

Ina Müller kann mehr als „sabbeln, saufen und singen“. Sie kann Menschen dazu bewegen, zu erzählen – offen und ungekünstelt. Das ist ihr Beruf, aber das ist auch eine Begabung. So hartnäckig sie interviewt, so hartnäckig schweigt sie selbst. Zumindest bei Fragen, die ihr Privatleben betreffen. Ihre Beziehung zum 17 Jahre jüngeren Musiker Johannes Oerding ließ sie unbestätigt, singt lieber über ihre Gefühle. Etwa in „Mit Mitte 20“, eine Liebeserklärung an einen jungen Mann. Wer damit gemeint ist, liegt nahe. „Mit Mitte 20 sind die Jungs nicht reich/doch sie bemüh’n sich“, lautet eine Textpassage.

Im Grunde sehnt sich also auch eine Ina Müller nach Romantik. Die männlichen Gäste des Presseballs sollten sich daher merken: Sie will vom Herren zum Tanz aufgefordert werden. Anders als damals beim Tanzkursus in ihrem Dorf, im zarten Alter von zwölf Jahren. „Wir waren acht Mädchen, die sich schweigend anguckten und frustriert wieder nach Hause stapften.“ Trotz des enttäuschenden Erlebnisses ist etwas hängen geblieben. „Ich kann Walzer tanzen und Freestyle“, sagt sie. Und einmal mit Ina Müller übers Parkett zu schweben, ist sicher wie ein Gespräch mit ihr – ein Erlebnis.