Okay: Autofahren ist zurzeit nicht immer lustig. Aber sonst ist alles für ein wunderbares Schnee-Wochenende bereitet
Hamburg. Manchmal hat es jahrelang gedauert. Und entsprechend dick war die Staubschicht auf dem Schlitten, als es sich endlich wieder lohnte, ihn aus dem Keller oder Schuppen zu holen. Diesmal waren es gerade neun Monate, bis er an diesem Wochenende ans Tageslicht befördert und mit vereinten Kräften flottgemacht wurde. Und mancher arbeitet dabei mit den alten Tricks, um die Kufen zu schmieren - und nimmt die Speckschwarte, die beim letzten üppigen Grünkohlessen übrig geblieben war.
Der Weg zur Rodelbahn wird jedenfalls zur Massenwanderung. Die Kinder jubeln, und wir Erwachsenen haben allen Grund, mit einzustimmen. Denn der Schnee ist ein Geschenk des Himmels - was auch Atheisten partout nicht leugnen können.
Verwunschen wirkt die Stadt in diesen Tagen, jedenfalls aus dem richtigen Winkel gesehen. Geradezu bizarr glitzern dann die Bäume, verträumt wirken die nicht gestreuten Seitenstraßen, so wunderbar altmodisch die Spazierwege oder Eisufer an Elbe und Alster. Wer fährt schon nach St. Moritz? Niendorf, Flottbek oder Sasel können in diesen Tagen locker mithalten (außer bei den Preisen).
Okay. Nicht jeder hat die Zeit zu flanieren und die Seele baumeln zu lassen. Wer also von einem Termin zum nächsten hasten muss, auf den Hauptstraßen nörgelnd durch schwarzen Matsch braust, entnervt auf Hupe wie Tube drückt und mürrisch auf den Spätherbst im Kalender pocht, der hat ja irgendwie auch recht. Doch er verbaut sich den Blick für Hamburgs kleine Wunder. Man möchte sagen: Leute, der zweite Advent von Schnee gekrönt, wann hat's das zuletzt gegeben? Genießt es!
Denn die Luft ist dieser Tage klar wie selten. Wer bei minus sieben Grad einen tiefen Zug nimmt, der spürt wieder, was Atmen eigentlich bedeutet. Und wer seine Ohren öffnet, kann die Stille hören: Nach Neuschnee wird selbst der sonst frühmorgens röhrende Linienbus zum Flüsterfahrzeug. Und ein bisschen Schneeschippen ist gut für Kreislauf und Pumpe. Ganz abgesehen vom zwischenmenschlichen Kontakt vor dem Gartenzaun ...
Es gibt jedenfalls viel zu tun an diesem Wochenende. Vor allem Schönes. Auf dem Weihnachtsmarkt schmecken Glühwein und Kinderpunsch bei Frost erheblich besser. Auch ein Dombummel bei klirrender Kälte lässt Hamburg in einem anderen Licht erscheinen. Hagenbecks Tierpark bei Eis und Schnee? Ein ebenso seltenes Vergnügen wie ein Bummel durch den weißen Stadtpark oder Klövensteen. "Man lässt sich den Winter auch gefallen", befand schon Johann Wolfgang von Goethe. "Man glaubt sich freier auszubreiten, wenn die Bäume so geisterhaft, so durchsichtig vor uns stehen."
Wer noch daran arbeitet, diese poetische Erkenntnis zu teilen, kann sich diese Worte zu Herzen nehmen: "Ohne die Kälte des Winters gäbe es die Wärme des Frühlings nicht." Das hat übrigens jemand gesagt, den man nicht unbedingt mit Poesie in Verbindung bringt: Ho Chi Minh, der vietnamesische Revolutionär.
War sonst noch was? Ach ja: Nikolaus am Montag. Manche Kinder werden sich sorgen, ob er bei Glatteis sein gewaltiges Arbeitspensum schafft. Man sollte zuversichtlich sein: Er ist ja in seinem Element. Und nicht nur er. Man muss nur wollen.