Charterflieger Hamburg International geht das Geld aus. 120 Beschäftigte in der Hansestadt sind betroffen. Nun wird ein Investor gesucht.
Hamburg. Für Christoph von Saldern und Norbert Grella ist eine Fluggesellschaft, die am Boden bleiben muss, keine neue Erfahrung. Vor 13 Jahren haben die beiden Miteigentümer und Geschäftsführer des Charterfliegers Hamburg International das schon einmal erlebt. Damals waren sie Piloten bei Hamburg Airlines, einer Firma des Steakhausunternehmers Eugen Block.
Ein Jahr später gründeten sie gemeinsam mit Klaus Schlichtmann ihr eigenes Unternehmen - und von da an schien es nur noch bergauf zu gehen. Mit einem Boeing-Jet und 50 Beschäftigten gingen sie an den Start, heute hat Hamburg International rund 320 Mitarbeiter, davon 120 in der Hansestadt, und betreibt eine Flotte von acht Airbus-Maschinen des Typs A319 sowie eine Boeing 737. Doch wie gestern bekannt wurde, haben die Geschäftsführer am Dienstag einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Hamburg eingereicht.
Dabei war es dem Trio mit einer ungewöhnlichen Nischenstrategie bislang gelungen, durch alle Marktturbulenzen zu fliegen und auch den Brancheneinbruch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu überstehen. Denn das Unternehmen transportierte zwar überwiegend für die großen Reiseveranstalter Touristen an die üblichen Ferienziele, die Jets hoben dazu aber häufig von kleinen Flughäfen wie etwa Nordholz, Kassel, Friedrichshafen oder Saarbrücken ab.
Die HSV-Fußballer gehörten zu den Stammgästen der Airline
Wenig deutsche Konkurrenz gab es auch in zwei weiteren Geschäftsfeldern, dem sogenannten ethnischen Verkehr mit Flügen zum Beispiel nach Pristina im Kosovo sowie der exklusiven Vercharterung kompletter Jets. So brachte man die Fußballprofis des HSV und von Werder Bremen zu vielen Auswärtsspielen, Uno-Blauhelmsoldaten an ihre Einsatzorte in Afrika und Testfahrer von Autoherstellern nach Rovaniemi in Nordfinnland.
Ein Verlust fiel bislang nur für das Jahr 2008 an, Gründe waren der Flottenwechsel von Boeing zu Airbus sowie die extrem hohen Treibstoffpreise. Für das Krisenjahr 2009 jedoch stand nach eigenen Angaben wieder ein Gewinn zu Buche, und noch im März zeigte sich Christoph von Saldern äußerst optimistisch. Die Zahl der Fluggäste sollte in diesem Jahr von 875 000 auf rund eine Million steigen.
In Branchenkreisen ist es allerdings kein Geheimnis, dass sich die Marktbedingungen für Charterflieger zuletzt immer weiter verschärft haben. "Immer häufiger buchen die Reiseveranstalter nur noch einen Teil der Sitzplatzkapazität eines Flugzeugs", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Damit sah sich Hamburg International gezwungen, die übrigen Plätze in eigener Regie zu verkaufen. Das dafür erforderliche Buchungssystem sowie das Marketing aber treiben die Kosten nach oben. Hinzukam ein weiterer Faktor: Im Zuge der Wirtschaftskrise nahm die Neigung großer Unternehmen, erfolgreiche Mitarbeiter in einem eigens gecharterten Jet zu einer Firmenparty etwa nach Malaga fliegen zu lassen, deutlich ab.
Branchenkreisen zufolge sprang eine Flugzeugleasingfirma ab
Vor diesem Hintergrund nahmen die Geschäftsführer von Hamburg International Gespräche mit potenziellen Investoren auf. In einer Mitteilung des Unternehmens heißt es, Auslöser des Insolvenzantrags sei ein "Investorenprozess, der leider nicht in der erforderlichen Schnelligkeit realisiert werden konnte". Mit drei Geldgebern sei gesprochen worden, verlautete aus Branchenkreisen, mit einem von ihnen sei man sich im Prinzip einig geworden. Doch am Montag sei einer der insgesamt fünf Flugzeugleasinggeber überraschend abgesprungen. Dies habe eine Kettenreaktion ausgelöst, die schließlich zu dem Insolvenzantrag führte.
"Hamburg International hat bis jetzt einen guten Ruf bei den Geschäftspartnern gehabt", sagt der Hamburger Branchenexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt. Doch unter anderem mit den Plänen, einen eigenen Wartungsbetrieb in Friedrichshafen aufzubauen, habe die Komplexität deutlich zugenommen. Großbongardt hält es für durchaus realistisch, dass das Unternehmen eine Zukunft hat, wenn es "in die Nische zurückschrumpft".
Der vom Amtsgericht Hamburg zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte Hamburger Rechtsanwalt Sven-Holger Undritz führe die Gespräche mit Interessenten jedenfalls gemeinsam mit der Geschäftsführung weiter, heißt es von der Firma. Undritz war unter anderem bei der PopNet Internet AG und der ostwestfälischen Schieder-Gruppe, einem der größten Möbelhersteller in Europa, als Insolvenzverwalter tätig.
Neben den drei Geschäftsführern von Hamburg International gehören unter anderem ein niedersächsischer Privatinvestor sowie die Hamburger Reederei NSC und Vural Öger, der frühere Eigner des in diesem Sommer an den Branchenriesen Thomas Cook verkauften Reiseveranstalters, zu den Gesellschaftern der Airline.
Nicht nur sie und die Beschäftigten - deren Löhne und Gehälter die Agentur für Arbeit für maximal drei Monate weiterzahlt - sind von der Insolvenz betroffen. Zwei der Airbus-Jets sind Anlageobjekte in einem Flugzeugfonds des Hamburger Emissionshauses Lloyd Fonds. Es gebe "durchaus Chancen", einen neuen Leasingnehmer zu finden, sagte eine Lloyd-Fonds-Sprecherin. Ein weiterer A319 wird durch einen Fonds von Wölbern Invest an Hamburg International verleast.