250 von bisher 900 Beschäftigten in der Hamburger Zentrale verlieren ihren Arbeitsplatz - auch der Geschäftsführer Lutz Schüler muss gehen.
Hamburg. Auf die Mitarbeiter von HanseNet in Hamburg kommen harte Wochen zu. Rund 250 von bisher 900 Beschäftigten in der Zentrale des Telekommunikationsanbieters am Überseering verlieren ihre Stelle, sogar der Geschäftsführer wird gehen, hieß es am Freitag von dem Unternehmen.
Bundesweit streicht der Mobilfunkkonzern O2 ein Jahr nach der Übernahme von HanseNet jeden sechsten Arbeitsplatz. Bis Ende März 2011 solle die Zahl der Stellen in Deutschland um 1100 auf 5000 sinken, teilte die Firma am Freitag offiziell mit. Der Standort Verl bei Gütersloh wird komplett geschlossen. Branchenexperten zeigten sich von dem Ausmaß der Einschnitte am Freitag überrascht.
Mitarbeiter mit Kundenkontakt sind weniger stark betroffen
"Hamburg wird als Sitz der HanseNet-Verwaltung von dem Abbau etwas stärker als viele andere Geschäftsbereiche betroffen sein", sagte HanseNet-Chef Lutz Schüler am Freitag dem Abendblatt. Vor allem in den Zentralfunktionen seien Arbeitsplätze bedroht oder müssten sich Mitarbeiter mit dem Gedanken anfreunden, zukünftig in München zu arbeiten. Weniger Sorgen machen müssen sich die Beschäftigten mit direktem Kundenkontakt. Immerhin besitzt jeder zweite Hamburger Haushalt einen DSL-Anschluss der HanseNet-Marke Alice - und diese Beziehungen sollen weiter gepflegt werden. Mit den Einschnitten, die der Konzern am Freitag während einer Mitarbeiterversammlung verkündete, rechneten die Hamburger allerdings bereits seit November 2009. Damals hatte Telefónica mit O2 der Telecom Italia deren Hamburger Tochter für 900 Millionen Euro abgekauft. Die Verwaltung von O2 sitzt in München - und dieses Unternehmen ist im Kräftespiel der beiden deutschen Telefónica-Töchter HanseNet und O2 der mächtigere Partner.
Bei HanseNet verhandelt nun die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich. Schüler rechnet damit, den betroffenen Mitarbeitern "Abfindungen in marktüblicher Höhe" anbieten zu können, und verwies darauf, dass die Telefónica bei bisherigen Stellenkürzungen stets fair vorgegangen sei. Betriebsbedingte Kündigungen sollten dabei nach Möglichkeit vermieden werden. "Wir hoffen, dass bei der Auswahl der betroffenen Mitarbeiter nicht nur die Leistung, sondern auch soziale Kriterien berücksichtigt werden", sagte Christoph Braun, Betriebsratschef von HanseNet.
"Im April 2011 wird die Firma HanseNet dann nach den bisherigen Plänen in Telefónica O2 Deutschland übergehen", sagte Schüler. Damit wird auch die komplette Führung der HanseNet überflüssig. Bereiche wie Vertrieb, Personal, Controlling werden von München aus gesteuert. Auch Schüler selber wird sich einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen. Er schaue sich in der Telefónica-Welt um, sagte der Marketingprofi, der von O2 zu HanseNet gewechselt war. Dem 42-Jährigen dürften nach der erfolgreichen Integration der HanseNet bei der Telefónica, dem nach Gewinn weltweit zweitgrößten Telekommunikationsanbieter, die Türen offenstehen.
Die Telekommunikation in Deutschland ist ein gesättigter Markt
Die verbleibenden Mitarbeiter dagegen müssen sich warm anziehen. O2 verfolgt ehrgeizige Wachstumspläne und will das Tempo trotz des Stellenabbaus beschleunigen. Dabei stehen in Deutschland alle Telekomanbieter unter Druck. "Wir haben hier einen gesättigten Markt", sagte Telekommunikationsexperte Rossen Koev von Independant Research. Es wird zwar mehr telefoniert - allerdings zu sinkenden Preisen. Mit der Übernahme von HanseNet verfolgt O2 das Ziel, seine Schwäche im Festnetz auszumerzen: O2 hat sich bisher eher bei Handykunden etabliert und besetzt mit 16,3 Millionen Kunden Platz vier beim Mobilfunk, nach Telekom, Vodafone und E-Plus. HanseNet dagegen ist DSL-Spezialist. Insbesondere nach der Einführung der Marke Alice mit der Werbefigur Vanessa Hessler haben die Hamburger die Zahl der Festnetzkunden steigern können. Sie sind heute mit gut zwei Millionen DSL-Anschlüssen nach Telekom, Vodafone und 1&1 viertgrößter Anbieter.
"Wenn ich einen Festnetzkunden habe, ist die Wahrscheinlichkeit fünfmal so hoch, dass er auch einen Mobilfunkvertrag unterschreibt als umgekehrt", gab Schüler Einblicke in die Psyche der Telefonkunden. HanseNet mit seiner Festnetzsparte ist damit für O2 ein Vehikel, mehr Mobilfunkverträge verkaufen zu können. Schließlich ist dieses Geschäftsfeld trotz des harten Preiswettbewerbs auch der bessere Ertragsbringer.
In Zukunft wird darüber hinaus das mobile Internet, also das Verschicken von Mails und der Down- oder Upload von Daten mit dem Handy, immer wichtiger. "Hier ist noch Wachstum möglich", sagte Koev. Schüler verwies dabei auch auf die Pläne der Telefónica, vermehrt mit Anbietern von Spielen oder Nachrichten für das Handy zusammenzuarbeiten und so neue Erlösquellen für die wachsende Zahl der Smartphones zu generieren.
Für die Kunden wird sich die Optik der Marken mit der Werbeschönheit Vanessa Hessler kaum verändern. Zwar hat sich O2 die Markenrechte an dem roten Alice-Logo nur bis zum Februar 2013 gesichert. Das Marketingpotenzial der brünetten 1,79-Meter-Frau will sich O2 allerdings auch über diesen Zeitraum hinaus sichern. "Das Logo wird wegfallen, das Testimonial bleibt", sagte Schüler. Und noch eine gute Nachricht gibt es für die Kunden: Schüler rechnet mit weiter sinkenden Preisen.