Altbürgermeister Voscherau ruft Senat auf, mit der Stadtbahn “nicht krampfhaft“ Fakten zu schaffen
Hamburg. Nach seiner Forderung, den Bau der Stadtbahn zu stoppen, hat Altbürgermeister Henning Voscherau prompt eine Quittung bekommen: "Wenn im Jahr 1906 alle so gedacht hätten wie Herr Voscherau, dann würde es heute auch keine U-Bahn geben", sagte ein Sprecher der Hochbahn dem Abendblatt. Die Ablehnung des SPD-Politikers des Projekts Stadtbahn überrascht auch deshalb, weil Voscherau in seiner Amtszeit Anfang der 90er-Jahre selbst den Bau einer Stadtbahn anregte - allerdings mit kompatiblen Gleisen für die U- und S-Bahnen. Auch das fehle den Plänen des schwarz-grünen Senats. "Das Konzept ist vom System her nicht zu Ende gedacht", sagte Voscherau während der Herbsttagung des Immobilienverbandes Deutschlands (IVD), auf der 400 Fachleute über Zukunftsfragen der Stadt diskutierten.
Voscherau mahnte CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus: Der sei gut beraten, das Projekt zu überdenken, "statt bis zur Wahl 2012 krampfhaft vollendete Tatsachen schaffen zu wollen". Ahlhaus hatte vor seiner Wahl der GAL versichert, dass er gemäß Koalitionsvertrag zur Stadtbahn stehe.
Der Sprecher der GAL-geführten Umweltbehörde warf Kritikern der Stadtbahn vor, sie würden zu kurzfristig denken. Erst gebaut, würde die Strecke zur Aufwertung der neu angebundenen Stadtteile führen. Zudem sei die Streckenführung so gewählt, dass sie - im Unterschied zu vielen anderen europäischen Metropolen - den Autoverkehr kaum beeinflusse. Darin liege auch ein Grund für die eigene Streckenführung. Zur Frage drohender Proteste gegen den Streckenverlauf sagte der Sprecher: "Wir nehmen das sehr ernst und versuchen, Bedenken der Anwohner in den Planungen zu berücksichtigen."
Bisher jedenfalls gilt ein kräftiger Zuschuss des Bundes für den ersten Streckenabschnitt in Senatskreisen als weitgehend sicher. 338 Millionen Euro soll die 7,7 Kilometer lange Strecke von Bramfeld bis nach Eppendorf kosten, davon rund 110 Millionen für die ersten 14 Züge und einen Betriebshof, der schon für ein größeres Netz ausgelegt ist. 57 Millionen Euro würden aus der Stadtkasse stammen, die Hochbahn übernimmt 109 Millionen - wobei dies ebenfalls öffentliche Mittel sind. Senatorin Anja Hajduk (GAL) mahnte zur Eile, damit Hamburg sich die Subventionen von anderen Städten "nicht wegnehmen" lasse. München etwa plant einen Ausbau seiner Stadtbahn.
CDU-Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse will sich von drohenden Bürgerprotesten gegen den Streckenverlauf nicht abschrecken lassen. "Dann könnte die Politik ihren Betrieb einstellen", sagte Hesse. Seiner Partei sei jedoch wichtig, dass der Autoverkehr nicht zu stark beeinträchtigt werde. "Das testen wir mit Computersimulationen."
Die Hochbahn verweist auf steigende Passagierzahlen, die Stadtbahn sei daher "alternativlos". Seit dem Jahr 2001 sei die Zahl der Passagiere von jährlich 350 auf mehr als 400 Millionen angewachsen - vielerorts stießen große Gelenkbusse an ihre Grenzen. Die Stadtbahn sei leistungsstärker, eine U-Bahn viel teurer.