Der heutige Kronzeuge verlegte im Gegenzug für Aufträge für die Sanierung am Alten Elbtunnel Fliesen im Ferienhaus eines Amtsinhabers.
Hamburg. Schon in den 1970er-Jahren hatte hier eine Bremer Baufirma große Apartmenthäuser unter die andalusische Sonne geklotzt, heute gilt Torrox an der Costa del Sol als das "deutsche Dorf" am Mittelmeer. Unter den vielen teutonischen Touristen und Residenten dort dürfte der kleine Bautrupp aus Hamburg daher vor acht Jahren kaum aufgefallen sein, der da mit Werkzeug und Material ankam. 13,5 Quadratmeter Fliesen (Villeroy&Boch, 1. Wahl) verlegte das Team auf dem Balkon einer Ferienimmobilie, die einem Bauingenieur des früheren Amts für Strom- und Hafenbau gehörte. Wohl ein krasser Fall von Bestechung, wie die Hamburger Staatsanwaltschaft heute vermutet. Und Teil eines Korruptionssumpfes, in dem bisher vier Mitarbeiter der heutigen Hamburg Port Authority (HPA), das inzwischen insolvente Bau-Unternehmen v. E. sowie eine Reihe weiterer Subunternehmen stecken.
Gestern gab es dazu den Prozessauftakt vor der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts, bei dem sich der Hafenamt-Ingenieur und Spanienfan zu verantworten hatte. Erste Verurteilungen mit hohen Haftstrafen in dem Korruptionsgeflecht mit mehr als 600 000 Euro Schaden für den Steuerzahler hatte es bereits zuvor gegeben.
Von Mitgliedschaft in einer "Bande" sprach Oberstaatsanwältin Cornelia Gädigk gestern. Doch nach Bandenmitglied sieht der ehemalige HPA-Bauleiter nicht aus. Leise erzählte gestern der inzwischen 65-jährige Rentner vor dem Landgericht von seinem Leben.
In Dresden hatte er studiert, war 1989 noch vor der Wende nach Hamburg gekommen und hatte bald einen Job im Hafenamt bekommen. Als Amtsleiter war er zuständig für die Instandhaltung von Brücken, Schleusen und des Alten Elbtunnels. Kleinere Aufträge bis 10 000 Euro konnte er eigenständig vergeben. Und dabei soll es reichlich Schmu gegeben haben
Insgesamt handelt es sich um 37 Fälle aus den Jahren 2002 bis 2005, bei denen die Ermittler ihm Untreue oder Bestechlichkeit vorwerfen. Das Prinzip dabei ähnelte sich: Rechnungen von 6000, 7000 oder auch 9000 Euro wurden gestellt und teilweise nach Stunden abgerechnet. Nur etliche dieser Arbeitsstunden seien gar nicht geleistet worden. Auffällig seien vor allem nachgereichte Bestellscheine, bei denen sich die erste Kalkulation des Hafenamt-Ingenieurs auffällig exakt mit der späteren tatsächlichen Abrechnung glich. "Das können Sie bis auf wenige Cent so genau vorauskalkulieren?" zweifelte die Staatsanwältin scharf. Ja, das könne er, so die eher leise Antwort.
Heute soll der Prozess fortgesetzt werden: Gleich zu Beginn soll der Kronzeuge G. auftreten, der den gesamten Korruptionsskandal erst aufgedeckt hat. G. war Bauleiter bei der Firma v. E. , überwarf sich mit seinem Chef. Bei einem Arbeitsgerichtsprozess vor zwei Jahren packte er dann aus und wurde zum Kronzeugen, der dadurch wohl ohne Verfahren davonkommt.
Obwohl er selbst mitgemacht hatte: So soll er dem Angeklagten als Gegenzug zu den lukrativen Aufträgen eine etliche 1000 Euro teure Angelausrüstung beschafft haben. Sie wurde als "Wat-Hosen" für Hafenarbeiten deklariert und so über Umwege quasi wieder dem Steuerzahler in Rechnung gestellt. Auch bei den ungewöhnlichen Fliesenarbeiten in Torrox soll der Kronzeuge dabei gewesen sein. Ein Ausflug, den wohl keiner der damals Beteiligten je vergessen wird.