Sie haben geächzt, gezittert und gewankt. Schließlich - oft nach zähem Ringen - sind sie dann doch in sich zusammengekracht und in einer dicken...

Sie haben geächzt, gezittert und gewankt. Schließlich - oft nach zähem Ringen - sind sie dann doch in sich zusammengekracht und in einer dicken Staubwolke versunken. Ein Haufen Steine blieb übrig, und der wurde schnell abgetragen. Ein paar Tage reichten aus. Dann war verschwunden, was Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte überstanden und das Bild der Stadt lange mitgeprägt hatte: Etagenhäuser, Villen, Fabriken, Kontorbauten, Brücken und Türme.

Hamburg und seine Abrissgeschichte - das ist ein trauriges Kapitel in den Annalen der Stadt.

Besonders in den 50er- und 60er-Jahren wurde in Hamburg rigoros abgerissen. Klar: Kurz nach Kriegsende fehlte das Geld, um stark beschädigte Gebäude wie das alte Opernhaus instand zu setzen. Außerdem musste schnell bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Trotzdem - bei vielen Abbrüchen muss man noch heute ungläubig den Kopf schütteln, und nicht wenige würden das Geschehene am liebsten wieder rückgängig machen. Doch leider haben sie sich immer wieder durchgesetzt: mangelndes Traditionsbewusstsein, Profitgier, Desinteresse, Fantasielosigkeit.

Hamburgs Ruf als "Freie und Abrissstadt Hamburg" reicht weit zurück. Als Ur-Sündenfall gilt der Abbruch des ab dem 11. Jahrhundert errichteten Hamburger Doms in den Jahren 1804 bis 1806. 1880 fiel der komplette Holländische Brook, der dem Neubau der Speicherstadt weichen musste. 1873 wurde das Hotel Kayserhof (von 1619) "zwecks besserer Grundstücksverwertung" abgerissen, 1910 verschwand Hamburgs ältestes Wohnhaus am Pferdemarkt 28.

Was der Zweite Weltkrieg nicht zerstört hatte, übernahmen mit viel Energie die Stadtplaner. Die Liste ist lang - sehr lang.

Auf ihr stehen unter anderem Martin Hallers Dovenhof, Winterhuder und Wittenbergener Fährhaus und jede Menge Etagenhäuser. Von Elbchaussee-Villen über Bergedorfer Katen bis zu reetgedeckten Bauernhöfen in Rissen - es wurde nicht lange gefackelt. Auch schon weg: der alte Bierpalast Dammtor, Teile der historischen Bebauung an der Ludolfstraße und die komplette Ulricusstraße mit ihren 36 Fachwerkhäusern. Das Grenzhaus Hoheluft: abgerissen. Der wertvolle, kreisrunde Hapag-Pavillon am Jungfernstieg: abgeräumt. Die Kutscherhäuser vom Grindelberg: weg und vergessen. Die alte Münchmeyer-Bank am Ballindamm: ausradiert.

1971 wurden die Bürgerhäuser Bei den Mühren 57 bis 60 abgerissen. Das Ensemble historischer Hafenrandbebauung aus dem 18. Jahrhundert war erst 1955 renoviert worden und musste dann angeblich einer Straßenverbreiterung weichen. Hinterher zeigte sich: Der Abriss war völlig überflüssig.

Auch eine bekannte Sehenswürdigkeit, die den Krieg unversehrt überstanden hatte, wurde zertrümmert: das kleinste Haus Hamburgs an der Großen Reichenstraße, viele Jahrzehnte lang war es ein bekanntes Foto- und Postkartenmotiv gewesen. Ab 1958 verschwanden auf der 12 000 Quadratmeter großen Fläche zwischen Valentinskamp, Karl-Muck-Platz, Dammtorwall und Caffamacherreihe die Reste des letzten Gängeviertels bis auf ein paar Häuserzeilen. Auch der original "Brahmskeller" am Valentinskamp 60 musste weichen, der sich seit 1842 in dem 1742 erbauten Gebäude befand. Hier hatte Johannes Brahms als junger Mann nachweislich beim Wein gesessen und auch komponiert - das Haus war damit die letzte erhalten gebliebene Stätte, die an den großen Hamburger erinnerte - und auch heute noch erinnern könnte.

Schon 1958 musste das Denkmalamt erleben, wie massiv Eigentümer und Investoren Druck auf die Politik machen können. Als Ergebnis wurde die klassizistische Nordfassade der Esplanade aus der Denkmalliste gelöscht, abgebrochen und durch "Punkthochhäuser" ersetzt. Eigentlich sollten es drei werden, aber dann blieb doch ein Teil der Häuserzeile stehen, und man beließ es bei zwei neuen "Baukörpern". Bürger und Presse spotteten ausgiebig über die "gründurchlässigen Betonklötze". Ironie oder Perversion: Die Grundeigentümer, die so massiv auf Abbruch gedrängt hatten, bezogen überraschend das verbliebene Stadthaus als Firmensitz - man wollte eben schön wohnen. Heute hängt dort sogar eine Denkmaltafel. 1960 erwischte es dann auch noch das Amsincksche Stadthaus, das wegen seiner exponierten Lage an der Binnenalster "das Haus links inner Ecke" und wegen seines Aussehens "umgestürzte Kommode" genannt wurde. Ein Zeitzeuge, der das für Kaufmann Wilhelm Amsinck 1860 erbaute Haus kurz vor dem Abbruch besuchte, notierte: "Stuck, geschnitzte Decken, Marmorkamine - vorbei."

Als der Altonaer Bahnhof und der Ostflügel des Harburger Schlosses abgebrochen wurden, dauerte es eine Ewigkeit, bis die angeblich maroden Mauern einstürzten - Trauerspiele, über die Denkmalschützer bis heute nicht gerne sprechen.

Inzwischen hat sich einiges gebessert, das muss man fairerweise sagen. Ideal ist aber noch längst nicht alles. Noch immer wird in Hamburg viel an historischer Substanz zerstört - warum eigentlich?

Manche Häuser haben schlichtweg kein Glück. Sie sind so konstruiert, dass Investoren sie für ihre Zwecke nicht optimal ausschlachten können. Oder sie sind einfach nicht prominent genug. Niemand kennt sie so richtig, niemand kämpft für sie. Sie stehen im Schatten irgendwelcher Großprojekte und werden gleich mit abgeräumt. Wen interessieren schon die Reste des alten Hafens, die da dauernd verschwinden, und welche Lobby hatte die alte Häuserzeile am Stephansplatz, an deren Stelle jetzt eine Art Miniatur-Europapassage steht? Um den vom Abbruch bedrohten Blumenladen im Hauptbahnhof wurde seinerzeit - zum Glück - ein Riesentheater gemacht, und an der Hoheluftchaussee rettete man mit großem Brimborium die alte Reklame mit den "Seifix-Zwergen".

Aber was ist mit den hundert Jahre alten Gartenhäusern, die jetzt überall in den Seitenstraßen von Ottensen oder im Blankeneser Treppenviertel verschwinden? Wer sich beschwert, bekommt ganz offen gesagt, dass die jeweiligen Investoren das Grundstück eben anders nutzen wollten. Wie heißt es so schön: Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik. Irgendwie ist es wie mit den alten Bäumen, die auf öffentlichem Grund dauernd gefällt werden: Die Häuser waren morsch, voller Schwamm oder mit Schadstoffen belastet - so sagt man uns. Zu gefährlich für Leib und Leben. Oder sie waren zu stark verändert worden, um als "echtes" Denkmal eingestuft zu werden. Als 1999 an der Schönen Aussicht eine Villa des Architekten Cäsar Pinnau abgerissen wurde, hatte die Begehung zuvor ergeben, dass irgendwann einmal eine Originaltreppe und eine Terrasse verändert worden waren - Grund genug, das Haus abzuschreiben. Ähnlich lief es an der Drehbahn, wo 1998 eines der ältesten Häuser der Innenstadt (von 1860) verschwand. Praktischerweise standen potente Investoren schon bereit - die rasch gerissenen Baulücken wurden ebenso rasch wieder aufgefüllt.

Empörte Bürger werden gerne darüber belehrt, dass ja gar nicht bei allen Abbrüchen vollständig Tabula rasa gemacht werde. Jeder kennt das: Da werden steinalte Zeitzeugen in Windeseile abgerissen, aber ein paar mickrige Fassadenteile dürfen stehen bleiben.

Man sieht es förmlich vor sich, wie zufrieden alle Beteiligten - Investoren, Planer, Behörden - mit sich sind. Nörgelt da jemand? Von den verschwundenen Gebäuden sind doch noch Reste übrig geblieben: Hinten Luxuswohnungen im Schuhkartonformat, vorne ein paar alte Säulen und ein bisschen Stuck - passt doch. An der Brandstwiete ist es so gelaufen, an den Hohen Bleichen, an der Großen Elbstraße und an der Langen Reihe. An der Rothenbaumchaussee verschwand mit dem Mollerschen Palais ein wertvoller Bau trotz massiver Proteste. Erhalten blieb ein Teil des Eingangs. Denkmalschutz soll eigentlich nicht nur Fassadenteile bewahren, sondern auch die Geschichte der dazu gehörenden Häuser. Bei den Resten dieses Palais oder des Hotels Prem ist davon allerdings nichts zu merken.

Was nützt überhaupt der Protest? Es sei daran erinnert, dass der Bürgerentscheid zum Erhalt des Bismarckbads schlichtweg ignoriert wurde. Zwar gibt es nun bald ein neues Schwimmbad, wie Politiker immer wieder gerne betonen - aber der markante Bau, um den so lange gekämpft worden war, ist und bleibt verschwunden.

Aktuell sind unter anderem die "New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie" und die Schilleroper höchst gefährdet (siehe die "Rote Liste", rechts). Einst hatte man in der Stadt rigoros Wartehäuschen an Straßen und Anlegern abgerissen - nun soll es den Litfaßsäulen an den Kragen gehen. Von den 1700 in der Stadt werden 1400 in den kommenden Jahren abgebaut. Da bleibt zu hoffen, dass, wie versprochen, keine Oldies dabei sein werden. "Wir wollen genauer hinschauen", verspricht Oberbaudirektor Jörn Walter heute (siehe Interview links). Doch um zu retten, was zu retten ist, müssen das noch viel mehr Beteiligte tun - und an einem Strang ziehen. Bleibt zu hoffen, dass Hamburg aus begangenen Fehlern lernt und realisiert, dass man die Vergangenheit einer Stadt nicht nachbauen kann.