Experten raten von einer übereilten Kündigung der Lebensversicherung ab. Sparbriefe als eine Alternative. Die wichtigsten Antworten.
Hamburg. Langjährige Vergleiche bringen es an den Tag: Seit Jahren sinken die Ablaufleistungen der Lebensversicherer. Beim Marktführer Allianz bekommt der Kunde in diesem Jahr knapp 40.000 Euro überwiesen, wenn er 20 Jahre lang jährlich 1200 Euro eingezahlt hat, wie eine Studie des Branchendienstes map-Report zeigt. Vor zehn Jahren waren es noch 26 Prozent mehr. Auch andere namhafte Versicherer wie Debeka, Cosmos und Neue Leben zahlen heute rund 20 Prozent weniger aus als vor zehn Jahren. Die Versicherer leiden unter den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt, weil sie 90 Prozent der Kundengelder in verzinsten Wertpapieren anlegen. Von der Europäischen Zentralbank haben sie eine Abehr von der Niedrigzinspolitik gefordert. "Die Kosten dieser Strategie zur Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise tragen die Altersvorsorgesparer", sagt Rolf-Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist es jetzt noch sinnvoll, eine Lebensversicherung abzuschließen?
Ein wesentlicher Nachteil der Lebensversicherung liegt nach Auffassung von Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in der Tatsache, "dass man über eine sehr lange Laufzeit auf Gedeih und Verderb dem Anlageerfolg des Anbieters ausgeliefert ist". Ohnehin sei der Abschluss eines Neuvertrages nur für Personen ratsam, bei denen aufgrund ihrer Lebenssituation Flexibilität nicht mehr so wichtig ist. Vor allem für jüngere Menschen sei die Lebensversicherung dagegen nicht das richtige Produkt: "Der Arbeitsplatz kann verloren gehen, außerdem kann man das investierte Geld benötigen, um ein Eigenheim zu kaufen." Durch die noch vergleichsweise attraktiv erscheinenden Renditen vergangener Jahre solle man sich nicht verleiten lassen, so Nauhauser: "Die hohen Ablaufleistungen haben nur die wenigsten Kunden eingestrichen. Die anderen sind kostspielig vorher ausgestiegen."
Ganz anders argumentiert Manfred Poweleit, Chefredakteur des Versicherungsanalysehauses map-report: "Für die Altersvorsorge braucht man eine Anlageform mit regelmäßigen Einzahlungen und einer gewissen Bindung. Wenn man immer wieder die Gelegenheit hat, auf das Geld zuzugreifen, ist am 65. oder 67. Geburtstag nichts da."
Welche Alternativen zur Lebensversicherung gibt es?
Nauhauser nennt an erster Stelle Banksparpläne, die bei einer Laufzeit von zehn Jahren in der Spitze Renditen bis gut drei Prozent bieten. Bei einem Anlagehorizont von mehr als 30 Jahren dürften nach seiner Einschätzung Aktien oder Fonds mit hohem Aktienanteil die beste Rendite bringen. "In der Vergangenheit hat sich aber auch gezeigt, dass es selbst bei Zeiträumen von 20 Jahren vorkommen kann, dass man Geld verliert", so Nauhauser.
Worauf sollte man beim Abschluss einer Lebensversicherung achten?
Die Kunden sollten die Verwaltungs- und Abschlusskostenquoten vergleichen, die die Versicherer ausweisen müssen, rät Nauhauser. Poweleit hat einen weiteren Tipp: "Wenn man es sich leisten kann, ist es effizienter, die Beiträge jährlich zu zahlen als monatlich."
Soll ich jetzt meine Lebensversicherung schnell kündigen?
"Bei vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen Policen rate ich meist von einer Kündigung ab", sagt der Hamburger Versicherungsberater Rüdiger Falken. Die Auszahlungen aus diesen Verträgen sind noch komplett steuerfrei. "Auch wenn die Verträge mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung gekoppelt sind, sollte man daran nicht rühren", sagt Falken. Vor der Kündigung ist es ohnehin sinnvoll, eine Beitragsfreistellung zu prüfen. Der Vertrag läuft dann weiter, neue Beiträge werden aber nicht mehr eingezahlt. Das gesparte Geld kann anders angelegt werden.
Allerdings bringt auch eine Beitragsfreistellung Einbußen. "Bei Verträgen vor 2008 führt das zu zusätzlichen Stornoabzügen von 300 bis 1000 Euro", sagt Falken. Auch die Versicherungssumme für den Todesfall sinkt. Wer alt oder krank ist, kann Probleme bekommen, alternativ eine Risikolebensversicherung abzuschließen. Zur Kündigung rät Falken eher bei jüngeren Verträgen ab 2008. "Konkret kann man das nur im Einzelfall beurteilen. Aber bei diesen Verträgen liegt die Rendite auf den Beitrag kaum über 2,5 Prozent."
Unter Berücksichtigung der noch teilweisen steuerlichen Vorteile einer Lebensversicherung müsste eine alternative Geldanlage eine Rendite von 3,0 bis 3,5 Prozent bringen, hat Falken berechnet. Mit Zinspapieren lässt sich das derzeit kaum erreichen, wenn man unterstellt, dass monatlich nur kleinere Beträge angelegt werden. Ein siebenjähriger Bundesschatzbrief (Typ B) bringt derzeit eine jährliche Rendite von 0,83 Prozent.
Wie hoch ist die Überschussbeteiligung in der Branche derzeit?
Die durchschnittliche Überschussbeteiligung für 2012 beträgt 3,87 Prozent. Das ergibt sich aus einer Umfrage des Abendblatts unter den 40 größten Lebensversicherern, die 90 Prozent des Marktes abdecken. 2011 lag dieser Wert bei 4,08 Prozent. Diese laufende Verzinsung wird allerdings nur auf einen Teil des Beitrages gezahlt. Nach Falkens Einschätzung sind das 70 bis 80 Prozent der Einzahlungen. Der Rest wird für Vertreter, Verwaltungskosten und den Hinterbliebenenschutz benötigt.
Wie wird sich die Überschussbeteiligung künftig entwickeln?
"Der Trend zur fallenden Überschussbeteiligung wird sich kurzfristig nicht umkehren", sagt Rainer Will, Geschäftsführer der Rating-Agentur Assekurata. Als Folge werden sich die prognostizierten Ablaufleistungen der Versicherer weiter verringern.