Die Rendite der Lebensversicherer sinkt. Die Branche müsste flexiblere Angebote machen
Noch immer ist die Lebensversicherung die am weitesten verbreitete Form der privaten Altersvorsorge. Mehr als 90 Millionen Verträge gibt es in Deutschland, rein statistisch gesehen ist das mehr als eine Police pro Einwohner. Doch die Besitzer dieser Verträge mussten sich daran gewöhnen, zu jedem Jahreswechsel wieder schlechte Nachrichten zu hören: Im zurückliegenden Jahrzehnt hat sich die Verzinsung ungefähr halbiert - und diese Tendenz setzt sich auch 2012 fort, wie eine Abendblatt-Umfrage zeigt.
Vor diesem Hintergrund erscheint es auf den ersten Blick überraschend, dass das Neugeschäft der Branche nicht einbricht, sondern zuletzt auf hohem Niveau geblieben ist. Einen der Gründe dafür liefert der Staat. Denn nicht erst die aktuelle Bundesregierung räumt offen ein, dass die gesetzliche Rente in Zukunft nicht mehr allein ausreichen wird, den Lebensabend finanziell einigermaßen komfortabel abzusichern.
Die "Rente mit 67", die in vielen Fällen nichts anderes als eine versteckte Rentenkürzung sein wird, verschärft diese Botschaft noch. In die gleiche Richtung wirkt die aktuelle Schuldenkrise, denn die Spielräume im Staatshaushalt werden künftig eher schrumpfen.
Dennoch stehen die Lebensversicherer vor enormen Herausforderungen. So leiden sie besonders stark unter dem historischen Zinstief, weil 90 Prozent ihrer Kapitalanlagen in festverzinslichen Wertpapieren stecken. Zwar erwirtschaftet die Branche mit ihren Anlagen immerhin noch eine Rendite von durchschnittlich rund vier Prozent. Aber das gelingt nur dank älterer, höher verzinslicher Papiere, die nach und nach auslaufen.
Hinzu kommt: Konkurrenten wie die Fondsgesellschaften und Banken werfen den Versicherern deren hohe Kosten vor, die die Rendite noch weiter schmälern. Und vieles spricht dafür, dass die Verbraucherschützer recht haben mit ihrer Kritik, die übliche Laufzeit der Lebens-Policen von mehr als 20 Jahren sei heute nicht mehr zeitgemäß.
Doch wie sieht es mit den Alternativen für die Altersvorsorge aus? Mit Banksparverträgen muss man sich zwar nicht so lange festlegen, aber die Rendite ist derzeit nicht besser - und man darf nicht der Versuchung erliegen, das Geld dann eben doch lieber für ein neues Auto auszugeben.
Aktien und Investmentfonds versprechen deutlich höhere Erträge, aber tatsächlich ist die Bilanz durchwachsen. Fünf der vergangenen zwölf Jahre endeten mit einem Minus des Deutschen Aktienindex (DAX). Selbst über längere Zeiträume sind Gewinne an der Börse keineswegs sicher: Wer Ende 1999 in den deutschen Aktienmarkt einstieg, verbuchte pro Jahr im Schnitt einen Verlust von einem Prozent. Erst bei mehr als 15 Jahren Haltedauer war die Rendite immer positiv - jedenfalls bislang.
Bleibt noch die Immobilie. Aber ein Eigenheim kann sich nur eine Minderheit leisten, und bei einem Verlust des Arbeitsplatzes ist das kreditfinanzierte Reihenhaus im Grünen alles andere als eine sichere Anlage.
Machen also die Versicherer alles richtig? Nein. Wollen sie auch in Zukunft ihre führende Position in der privaten Altersvorsorge halten, werden sie sich an veränderte Bedürfnisse anpassen müssen. Gefragt ist mehr Flexibilität bei der Prämienzahlung, ebenso sinnvoll wäre eine variable, an die jeweilige Lebensphase angepasste Mischung von Sicherheit und Rendite.
Grundsätzlich aber dürfen sich die Lebensversicherer durchaus als Krisengewinner fühlen. Kein anderer Sektor des Finanzmarkts hat so viel Stabilität gezeigt. Vor allem jedoch haben die Marktturbulenzen seit 2008 das Bewusstsein dafür geschärft, dass höhere Rendite wirklich immer mit höherem Risiko einhergeht. Das spielt den Anbietern vermeintlich "langweiliger" Produkte in die Hände.